DUCHAMP: The Wild Joy

Was bleibt vom Klang, wenn man alles Narrative, alles Bildhafte, alles allzu Identifizierbare entfernt? Auf ihrem neuen Album entwirft DuChamp ein musikalisches Szenario, das weniger auf konkrete Bedeutung als auf Präsenz und Empfindungen zielt. “The Wild Joy” ist ein Werk, das sich an der Grenze zwischen Struktur und Auflösung mit großer Konsequenz der Aufmerksamkeit auf den Moment widmet.

Die in Berlin lebende Musikerin, Wissenschaftlerin und Kuratorin hat sich in den vergangenen Jahren zu einer der markantesten Stimmen im Bereich kantiger Dröhnung entwickelt. Mit “The Wild Joy” legt sie nun ein Werk vor, das die Ausdrucksmöglichkeiten einer scheinbar statischen Ästhetik so behutsam wie spürbar erweitert mit Mitteln, die zwischen Reduktion, Strukturgefühl und subtiler Expressivität changieren.

Die fünf Stücke des Albums fügen sich zu etwas Geschlossenem, ohne dabei an Spannung und Differenz einzubüßen. Es beginnt mit “Sine Proprio”: dunkles, an Celloklänge erinnerndes Dröhnen und helle, hochtönend leuchtende Sinustöne, leicht verzerrt, fast wie verfremdetes Zikadenzirpen. In seiner kreisenden Wellenform zeichnet sich bald etwas ab, das von einer Gitarre stammen könnte. Nach und nach treten hellere, metallene Klänge hinzu – vielleicht die oberen Saiten einer Bouzouki – und insgesamt hellt sich das Klangbild zunehmend auf. Gegen Ende bäumt sich ein aufwühlendes Geflecht aus hohen Saitenklängen nochmals auf, auch melodische Elemente treten deutlicher hervor.

In “The Shape of Time” spielt DuChamp mit Subtilität und der Zeitwahrnehmung des Publikums: Die nahezu monotone, jedoch nicht starre Grundstruktur wird von kaum merklichen Verschiebungen begleitet – kleine Details, ein unregelmäßiges Raunen im Hintergrund, gelegentlich das kurze Aufleuchten eines Tons, der sofort wieder verschwindet, als wäre er nie da gewesen. Die Kombination aus repetitiver Struktur und subtilen Veränderungen stellt die eigene Zeitwahrnehmung infrage. Entspricht der Titel – die Idee einer “Zeitform” – vielleicht genau diesem Eindruck? Das Stück scheint sich ganz allmählich in die Höhe zu entwickeln, bleibt aber ohne deutlichere Brüche, wie sie das vorausgegangene Stück kennzeichneten. In den letzten Minuten setzt ein Glockenklang ein.

“Epithalamion”, das in altgriechisch wohl Hochzeitslied bedeutet, rückt die Stimme als klangliches Material ins Zentrum, allerdings nicht in textlicher Form. Vielmehr verschmilzt sie mit der dichten Klangschichtung, hebt sich mal tastend, mal fast hymnisch ab, ohne den Charakter des Stücks ins Vokale kippen zu lassen. Erst gegen Ende treten stimmliche Elemente klarer hervor, darunter auch die zweite Stimme von Andrew Kemp, ehe das Stück in einem hellen Glöckeln ausklingt.

“Fulaxos” ist das konzentrierteste Stück des Albums. Ernstes, gleichmäßiges Gitarrenpicking auf tiefen Saiten bildet ein stabiles Zentrum. Allmählich treten flächige Klänge und modulierte Überlagerungen hinzu, doch das rhythmisch-melodische Grundmotiv bleibt durchgehend präsent. Gerade durch die Beharrlichkeit in der Wiederholung und die zurückhaltende Variation entfaltet das Stück seine besondere Intensität. Der Titeltrack beschließt das Album dann mit einem beinahe warmen, offen atmenden Klangbild. Es beginnt mit geheimnisvollem Dröhnen, durchzogen von hellen Tönen, entspannt und hypnotisch zugleich. Gelegentlich gleitet ein Hauch von Stimme vorbei, später setzt dann sogar ein expressiver Gesang ein, vermutlich sind hier Gastvokalistin Rosemarie Föster und DuChamp gemeinsam zu hören. Der Schlusspunkt wirkt nicht nur wie eine Auflösung, sondern wie eine Öffnung.

Verglichen mit früheren Arbeiten – etwa dem Debütalbum “Nar”, das in seinen besten Momenten durch massive, dabei aber fast körperlose Akkordeon-Drones eine Illusion von Zeitlosigkeit herstellte – wirkt “The Wild Joy” konzeptuell und ästhetisch vielfältiger. Damals beeindruckte insbesondere das Spiel mit statischen Strukturen und subtilen Irritationen. Heute ist es eher die Kunst, innerhalb dieser Form neue Farben und Spannungsverläufe zu entwickeln. Das Instrumentarium, u.a. Baritongitarre, Orgel, Synthies, Bouzouki und Stimme, wird dabei nicht zum bloßen Materiallager, sondern bleibt in seiner Eigenheit erfahrbar. Alles ist eingebettet in eine musikalisches Sprache, der das Fragment ebenso vertraut ist wie der lange Atem.

DuChamp, die unter anderem Teil der etwas rockigeren Combos BraBraBra und Supercherie ist und früher als eine Hälfte des Drone-Duos Fausto Majistral auftrat, offenbart mit diesem Album nicht nur eine vertiefte Auseinandersetzung mit Klang und Struktur, “The Wild Joy” ist vor allem ein Beispiel dafür, wie Musik zugänglich bleiben kann, ohne allzu deutliche Kompromisse zu machen. (U.S.)

Label: Torto Editions / Ramble Records / Atena Records