Der deskriptive Titel dieser Veröffentlichung macht sofort klar, was der Hörer hier bekommt. Das Kölner Projekt Dangoloid, das 2023 mit „The Flight Of The Schemtterling” “den Sound von Eisenbahntunneln, Heizungskellern, Kühlgeräten und Montagehallen aus seinen Oszillatoren krault[e]“, stellt sich in eine lange Tradition: In der ersten Testcard führte Masami Akita einmal als Beispiel für so genannte Anti-Schallplatten das Frühwerk NONs an, etwa die “Pagan Muzak”-7”, eine Single in einer 12”-Hülle mit einer Reihe von Endlosschleifen. Man denke aber auch an Asmus Tietchens‘ auf RRR-Records veröffentlichtes Dreifachvinyl „Ptomaine“ mit etwa 8 Endlosrillen pro Seite.
In Texten über Vinyl(-Revival) fehlt selten der Hinweis, dass es auch eines im positivem Sinne verstandenen Aufwands bedarf nach ca. 20 Minuten aufzustehen und die Platte umzudrehen, man gezwungen ist, sich mit dem Material, mit der Musik auseinanderzusetzen – ganz im Gegensatz zur algorithmisierten Trägheit, in die sich nicht wenige freiwillig, selbst verschuldet, begeben. Verglichen mit den genannten Beispielen sind die „Onehundred Lockgrooves On A White 10” eine Übersteigerung all dessen, denn um 50 Endlosrillen pro Seite hören zu können, bedarf es nicht nur eines fortwährenden Hebens und Senkens des Tonarms, es dürfte auch darüber hinaus kaum jemandem gelingen, tatsächlich alle 100 zu hören.
Auch der Verfasser dieser Zeilen maßt sich nicht an zu denken, er habe jede einzelne “getroffen” – insofern steht natürlich bei diesem Tonträger das Konzeptionelle im Vordergrund, die Materialität der Veröffentlichung, aber dennoch ist diese 10” weitaus mehr als nur ein Gimmick. Wenn man sich dann nämlich die Mühe macht, dann hört man ein buntes Sammelsurium an exzellenter Geräuschmusik in verschiedensten Ausprägungen, die Labelinfo spricht von „exzentrische[n], wachrüttelnde[n] Loops“: Da gibt es atonale Sounds, darkambientes Grummeln, maschinell klingende Passagen, Verspieltes, analoges Synthgebrumme, Knarzen, elektronisches Fiepen, das an Vogelgezwitscher denken lässt. Die Liste ist fast endlos (das Wortspiel hier natürlich intendiert). (MG)
Label: Hobbykeller