IAN BODDY / CHRIS CARTER: Caged

Chris Carter, der Abba-Fan, galt von allen Throbbing Gristle-Mitgliedern immer am ehesten als jemand, der eine Popsensibilität hatte, die sich dann auch über Jahrzehnte bei Chris & Cosey manifestierte. Solo konnte er aber durchaus anders klingen. Auf diesen Seiten hatte er uns solo mit „Chemistry Lessons Volume One“ begeistert, Mute hatten vor ein paar Jahren seine zwei Remixalben wieder zugänglich gemacht, nun ist gerade Carters ursprünglich 2000 erschienene Zusammenarbeit mit Ian Boddy veröffentlicht worden. Boddy ist u.a. Gründer des Labels DiN (auf dem „Caged“ damals herauskam) und großer Freund analoger Synths. Auf „Caged“ erzeugen die beiden – das Cover illustriert das in angemessener Weise – außerweltliche Musik.

„Concussed“ beginnt mit dunklen Schlägen, Andeutungen von Melodie, minimalistischen skeltettierten Beats und Knistern. In Passagen ist das vielleicht gar nicht so weit entfernt von einigen der Sounds, die bei Throbbing Gristle nach ihrer Reformierung zu hören waren. „Coriolis“ knarzt, im letzten Teil setzt eine Melodie ein. „Slab“ ist ein besonders reduziertes Stück, auf dem dunkle Flächen eine kosmische Schwärze erzeugen. Daran knüpft von der Stimmung „Sub-Aura“ anfangs an: Wird man zu Beginn fast schon an Dark Ambient erinnert, setzten eruptive verdichtete Passagen ein, bevor das Stück reduzierter und weniger dunkel wird. Auf „Disembodied“ hört man zwischendurch tatsächlich so etwas wie „körperlose“ Stimmen. Kurzzeitig kann man etwas an Brian Williams’ Projekt Arecibo denken. Das Titelstück verbindet mysteriöse, kaum greifbare Sounds mit rhythmischen Passagen, die etwas an spätere Coil erinnern, um dann gegen Ende in Stille zu verhallen. Auf „Under-Dub“ lassen einige Sounds an das Zwitschern von Vögeln denken. Schließlich endet das Album mit zwei neuen, aus dem Ausgangsmaterial kreierten Tracks: „Claustrophobia“ ist ein von Carter komponiertes Stück, das anfangs wahrlich beklemmend klingt, bei dem ab der Hälfte aber Beats für eine gewisse Leichtigkeit sorgen. „Uncaged“ schließlich wurde von Boddy geschaffen und beendet das Album mit düsteren, zwiaschenzeitlich fast schon industriellen Passagen.

In den besten Momenten, wie etwas auf “Caged”, kann es elektronischer Musik gelingen, so zu klingen, als stamme sie aus einer anderen Dimension. (MG)

Label:  The Grey Area of Mute