FOVEA HEX ist das Projekt von Clodagh Simmonds, die in den 60ern bei der Folkband MELLOW CANDLE spielte und auch schon für Mike Oldfield gesungen hat. Auf den bisherigen Veröffentlichungen – drei EPs, die zusammen die “Neither Speak Nor Remain Silent“-Trilogie bilden – wurde sie u. a. von Andrew McKenzie (THE HAFLER TRIO), Colin Potter (u.a. NURSE WITH WOUND), Brian Eno und Robert Fripp unterstützt – um nur ein paar der Beteiligten zu nennen. Die Songs, in deren Zentrum die Stimme Clodagh Simmonds’ steht, lassen sich als eine (im positiven Sinn) eigenwillige und sehr originelle Mischung aus Folk und Ambient bezeichnen – wobei das letztlich zu kurz greift. Die neun Songs lassen Gefühle wie Sehnsucht, Geborgenheit, Verlust entstehen, stürzen den Zuhörer in ein Wechselbad und sind dabei mit die spannendste Musik, die in der letzten Zeit veröffentlicht wurde.
Würdst du sagen, dass trotz der großen zeitlichen Lücke zwischen MELLOW CANDLE und FOVEA HEX es eine Art von Kontinuität gibt; dass das, was du machst, auf die eine oder andere Weise mit Folk zu tun hat?
Ich habe mich nie als Folksängerin betrachtet, obwohl ich manche Folkmusik mag. Ich denke, es ist die Art, wie ich singe, die die Leute an Folk denken lässt. Ich habe es schon immer gemocht, einfach zu singen, und mir hat so besonders glatter oder stilisierter Gesang nie gefallen. Vielleicht klingt das, was ich7 mache, dadurch nicht so zeitgenössisch. MELLOW CANDLE ist sehr lange her – 35 Jahre – und zu verschiedenen Zeitpunkten während dieser Spanne habe ich Musik fürs Theater geschrieben, liturgische Musik, Lieder für Kinder, Klavierstücke, Cellostücke und ich habe weiterhin Songs geschrieben. Ich nehme an, es gibt eine Art von Kontinuität, wenn man sich ansieht, wie ich einige der MELLOW CANDLE-Songs und einige dieser anderen Sachen geschrieben habe – aber ich denke, dass es schwierig wäre, das alles als Folk zu beschreiben.
Wann hast du zuerst eine Idee bezüglich FOVEA HEX gehabt und war es von Anfang an klar, dass die erste Veröffentlichung eine Trilogie sein würde?
Ursprünglich war FOVEA HEX nur ein Name, der mir sehr gefiel. Ich habe vielleicht ein Jahr, bevor das Projekt begonnen hat, daran gedacht. Ich war mir nicht sicher, wie ich den Namen benutzen würde – vielleicht würde es der Name eins Stücks oder der Name eines Albums – ; ich habe ihn einfach behalten ohne zu wissen, wofür er später einmal verwendet werden würde. Als dieses spezielle Projekt begann und ich spürte, dass dieser Name dazu gehören sollte, habe ich nie gedacht: “Oh, ich glaube, ich mache diese Art von Song und verwende diese Art von Klängen und ich schaue mal, dass ich mit dieser oder jener Person arbeite…“ Als wir zuerst damit anfingen, wusste ich nicht, in welche Richtung es gehen würde – das einzige, das mir klar war, war, in welche Richtung es NICHT gehen sollte. Es hat sich dann aus eigener Kraft weiterentwickelt. Um den zweiten Teil deiner Frage zu beantworten: Ja, als wir erst einmal angefangen hatten, war es klar, dass es eine Trilogie werden würde.
War es wichtig, bezüglich der “Neither Speak Nor Remain Silent”-Trilogie eine Art Ähnlichkeit, eine Art Symmetrie zu haben (bezogen auf das Artwork und die Anzahl der Lieder)?
Ich denke, es liegt in der Natur einer Trilogie, dass die drei Teile sich entsprechen, also ja.
An der Trilogie haben Künstler wie Colin Potter, Brian Eno, Roger Doyle und Andrew McKenzie (neben anderen) mitgemacht. Warum war es für dich wichtig, diese Leute dabeizuhaben?
Na ja, ich habe ja schon gesagt, dass nicht vorher geplant war, was wichtig wäre und was nicht und mit wem ich zusammenarbeiten würde. Ich hatte keinen festen Plan und es gab kein “Konzept” – so arbeite ich nicht. Es begann damit, dass ich ein Interview mit Andrew las, in dem er sagte, dass er sehr krank sei und dringend irgendeine Art bezahlter Arbeit benötige, damit er die Arztrechnungen bezahlen könne. Ich war gerade mitten in anderen Aufnahmen und ursprünglich schlug ich ihm vor, dass er dazu etwas beisteuern könne und ich ihn für eine Session bezahlen würde. Ich wusste nicht, wer er war und hatte noch nie seine Arbeiten gehört – es hörte sich einfach so an, als ob er in einer schlimmen Lage sei und er fast um Hilfe bettelte und ich versuchte, einen Weg zu finden, um ihm ein bisschen zu helfen. Aber als er mir ein paar Beispiele seiner Arbeit schickte, war ich höchst beeindruckt! Daraus hat es sich also entwickelt – ihm gefielen meine Songs ebenfalls sehr und wir beschlossen drei EPs zu machen. Sowohl Colin als auch Roger fingen an, mitzumachen, als Andrew vorschlug, ich solle mit jemand anderem weitermachen, nachdem wir die erste EP beendet hatten. Wir hatten ziemlich ernste Probleme dadurch, dass sein und mein Computer nicht kompatibel waren und es wurde dadurch unmöglich so zu arbeiten, wie wir ursprünglich gedacht hatten. Außerdem war er ziemlich krank und verschwand dadurch für einige Tage immer wieder von der Bildfläche. Als er vorschlug, ich solle jemand anderen finden, war ich mit meinem Latein etwas am Ende – aber David Tibet (denn ich kennen gelernt hatte, als ich mich wegen Andrews Verschwinden etwas sorgte) wie auch Jochen Schwarz schlugen Colin Potter vor und sobald ich anfing, mit ihm zu arbeiten, wurde mir klar, dass er die richtige Person war, um das Projekt fertig zu stellen. Roger Doyle und ich waren uns vor vielen Jahren in der Dubliner Musikszene über den Weg gelaufen; wir hatten zwar dann den Kontakt verloren, aber er war gerne dazu bereit, auszuhelfen und es ist so, dass Die Stadt bald eines seiner neueren Werke veröffentlicht – diese Begegnung war also für uns beide hilfreich! Die Art und Weise, wie sich das Projekt entwickelte, führte dazu, dass am Ende ein ziemlich bunter Haufen Leute dabei war, die meisten von ihnen alte Freunde. Ich bin allen enorm dankbar – jeder leistet einen einzigartigen Beitrag und es gibt ein Moment des Unvorhersehbaren, wenn man andere dazu auffordert, etwas beizusteuern und das fügt meines Erachtens dem Ganzen etwas Besonderes hinzu. Die Trilogie als Ganzes ist üppiger und variantenreicher ausgefallen, als alles, was ich hätte schaffen können, wenn ich allein gearbeitet hätte.
Die Frage hängt mit der letzten zusammen. Handelt es sich bei FOVEA HEX immer um dich mit anderen und sind die Aufnahmen, die du allein machst, etwas völlig anderes (wie “The Glacial Lake“ auf der “Not Alone“-Compilation, das unter deinem eigenen Namen veröffentlicht wurde)?
Für diesen Track – ein Song, den ich vor 14 Jahren geschrieben habe – entscheid ich mich für meinen eigenen Namen, aber ich werde das vielleicht nicht immer so machen – künftig werde ich vielleicht auch Soloaufnahmen unter FOVEA HEX veröffentlichen – ich bin mir noch nicht so sicher. Im Augenblick besteht das Rückgrat von FOVEA HEX aus mir, Laura Sheeran, Cora Venus Lunny, Michael Begg und Colin Potter – aber es ist ein ziemlich flexibles Rückgrat! Und mir gefällt die Vorstellung mit verschiedenen Gästen zu arbeiten…
Welche Rolle spielen die CDs mit den Tracks von Andrew McKenzie, die einem Teil der Auflagen beiliegen? Würdest du sagen, dass sich die “normalen“ CDs auf den Song konzentrieren, während bei den Mixen von Andrew McKenzie der Schwerpunkt auf dem Klang liegt?
Abgesehen davon, dass ich ihm das Ausgangsklangmaterial geliefert habe – als Basis für seine Bearbeitungen –, hatte ich nichts mit den Bonus-CDs zu tun. Andrew hatte sozusagen eine Blankovollmacht. Normalerweise arbeitet er in seinem Tempo, in seiner eigenen Zeit, in seinem eigenen Stil, nach seinen eigenen Wünschen und die Bonus-CDs waren zum Teil dafür da, um ihm den Freiraum zu geben, was auch immer mit dem Material zu machen und nicht so zusammenzuarbeiten, wie auf der eigentlichen EP – die CDs waren dafür da, ihn auf seine Weise arbeiten zu lassen und dass er seinen eigenen Kommentar abgibt.
Während es oftmals so ist, dass Musiker ihre Texte als etwas Zweitrangiges betrachten, hat man den Eindruck, dass für dich die Worte ebenso wichtig sind. Betrachtest du deine Texte als eine Art von Poesie?
In den meisten Fällen entsteht die Musik vor den Worten, deshalb ist es nicht das gleiche, als ob man ein Gedicht vertont, wo man die Musik den Worten anpassen muss. Bei mir ist es normalerweise genau andersherum – die Form des Ausdrucks steckt schon in der Musik, deshalb müssen die Worte zu dieser Form passen. Es ist aber unterschiedlich – manchmal gibt es eine Zeile Wörter und ich weiß, dass es die richtige Zeile ist und vielleicht ändere ich die Musik etwas, damit es passt. Aber meistens ist die Musik zuerst da. Auf gewisse Weise hat man eine größere Freiheit, wenn man ein Gedicht schreibt, das gelesen oder gesprochen werden soll – man muss nicht so sehr übers Atmen nachdenken, man muss nicht überlegen, welche Vokale funktionieren werden und welche nicht, je nachdem in welcher Tonlage sie sind. Man kann einfach das auswählen, was einem vom Klang gefällt. Wenn man Wörter schreibt, die gesungen werden sollen, ist man viel weniger frei. Ich habe so mit etwa sieben oder acht Jahren damit angefangen, Gedichte zu schreiben – bevor ich Musik komponiert habe – und das liegt bei uns in der Familie, obwohl ich das erst vor ca. 10 Jahren herausgefunden habe. Ich habe erfahren, dass meine Großmutter väterlicherseits direkt von den O’Dalaighs abstammt, die vor einer langen Zeit über viele Generationen hinweg Dichter waren. Einige Gedichte meines Vaters wurden gedruckt und meine 16-jährige Nichte Molly schreibt inzwischen seit einigen Jahren Gedichte, ganz spontan. Es liegt uns also im Blut. Ich glaube, dass ich mir schon immer bei den Texten viel Mühe gegeben habe, denn Worte haben solch eine Macht und es ist eine Schande, wenn man damit faul oder nachlässig umgeht. Wenn die Leute nett genug sind zuzuhören, dann schuldet man ihnen, dass man sich Mühe mit dem gibt, was in ihren Ohren landet.
Du nennst W. B. Yeats und Samuel Beckett als Einflüsse. Hat dabei irgendeine Rolle gespielt, dass beide Künstler Iren waren?
Gar keine. Es gibt viele andere irische Dichter und Schreiber, die mich nicht besonders berühren. Gleichzeitig liebe ich Rumi und ich bin keine Türkin. Ich schätze georgische Musik sehr und ich bin keine Georgierin. Wer weiß schon, warum einen manche Dinge ergreifen und andere nicht?
Du hast einmal erwähnt, dass du die Vorstellung von Wandelbarkeit magst, was Auftritte anbelangt. Auf dem Donaufestival musstet ihr ohne einige technische Gerätschaften auskommen (und wart dennoch sehr erfolgreich). Was kannst du von eurem Auftritt in Frankreich für die Cartier Foundation [wo kürzlich eine umfangreiche David Lynch-Ausstellung namens “The Air is on Fire“ zu sehen war] berichten?
Das wichtigste war, dass es draußen stattgefunden hat – da gibt es eine Fläche hinter der Foundation, die etwas von einem kleinen Amphitheater hat. Es gab zwei zentrale Dinge, die wir nicht vorhergesehen hatten – zum einen hatten wir das Licht falsch eingeschätzt, deshalb konnten wir nicht die wundervolle Hintergrundprojektion nutzen, die Christina Vantzou (von THE DEAD TEXAN) für uns vorbereitet hatte. Und zum anderen gab es ziemlich viel Wind, und dadurch gab es eine Menge unerwarteter Geräusche: Der Wind blies durch die Klanglöcher des Cellos und in die Mikrophone. Das passierte auch während des letzten Liedes – das war ein neues Stück, in der eine Zeile, die “even the wind in the trees sings for everyone“ lautet, wiederholt wird. Das war fantastisch; es war so, als ob der Wind Backingvocals für uns gesungen hätte! Es schien während des Songs wirklich so viel lauter zu werden. Wir alle haben diese Wogen wahrgenommen! Einige im Publikum haben es auch bemerkt. Und während wir ”While You’re Away“ sangen, bei dem es Vögel im Mittelteil gibt, konnte man echte Vögel während der leisen Stellen hören und das hat uns auch sehr gefallen! Der Auftritt hat wirklich ziemlich gut geklappt – ich glaube, etwa dreiviertel des Publikums haben eine oder alle CDs hinterher gekauft – es gab nur einen, der verkauft hat und er wurde von dem Ansturm fast überrollt. Wir haben uns das von einem Penthouse des Gebäudes aus angesehen (das während Auftritten als Garderobe verwendet wird). Es war ein seltsamer Anblick und ein seltsames Gefühl zu sehen, wie viele warteten um eine CD zu kaufen. David Lynch selbst haben wir nicht getroffen, weil er den nächsten Tag bei einer Meditationskonferenz in den USA sein musste und er deshalb schon gegangen war. Ich denke, dass er gerade versucht, Meditation ins Schulcurriculum zu bekommen, ist ziemlich bewundernswert, das war also ein Trost!
Denkst du, eine Ähnlichkeit zwischen deiner Arbeit und der von David Lynch ist, dass ihr beide dem Zuschauer/Zuhörer genug Raum lasst, in dem sich die Imagination entfalten kann und dass ihr nicht einfach/einfache Antworten gebt?
Es war für mich interessant in seinem Buch ”Catching the Big Fish“ zu lesen, dass wir tatsächlich auf sehr ähnliche Weise arbeiten. Er beginnt mit einem fragmentarischen Bild oder mehreren Bildern, die sich ihm zeigen – er beginnt nicht mit einem Konzept oder Entwurf, das oder den er vorher fertig gestellt hat. Anfangs hat er keine Ahnung, wie das Ende aussehen wird. Er arbeitet im Dunkeln und die Arbeit nimmt ein eigenes Leben an. Es war faszinierend, das zu lesen, weil ich immer gedacht hatte, dass er auf sehr präzise Weise arbeitet, viel kalkulierter als so. Aber nein – es ist etwas willkürlich, unsicher, eher so, als ob man den Bildern dient, ihnen folgt als dass man versucht, sie in der Form, die man haben will, an eine Tafel zu heften. Wie ich spürt er, dass man oftmals dem Unterbewussten vertrauen kann, dass es etwas viel Dynamischweres und Großartigeres bereitstellt als das, was man mit einem so genannten “bewussten“ Ziel erreichen kann um etwas Spezielles wiederzugeben. Wenn man nur aus dem schöpft, was man schon kennt, was man schon gelernt und verstanden hat (oder von dem man das annimmt!), scheint es mir so zu sein, dass alles etwas trocken ist – man holt Dinge aus den gleichen alten Schränken, in denen man seine Ideen und Konzepte verstaut hat. Letztlich sind die Zutaten aber abgestanden. Um auf andere Weise zu arbeiten, muss man vielleicht etwas Klarheit, einige bequeme Enden und einige simple Schlüsse opfern und der Hauch der Gefahr ist immer gegenwärtig, weil man keine Ahnung hat, was als nächstes passieren wird – aber der Geschmack ist um so vieles stärker! Es ist einfach ein Üben von Vertrauen.
In einem Interview hast du erwähnt, dass heutzutage das Bezahlen nicht mehr so wichtig ist (wegen (illegalen) Downloads etc.). Ist die Art und Weise der Verpackung der Trilogie eine Reaktion auf die oftmals gesichtslosen MP3s?
Ja. Jüngere Leute kommen damit vielleicht besser klar, aber für mich ist es schwer nachzuvollziehen, wie man mit der Klangqualität von MP3s zufrieden sein kann und es macht mich traurig, zu wissen, dass es da draußen eine ganze Generation von Leuten gibt, die nicht wissen, dass es da eine Alternative gibt oder dass es eine andere Klangqualität gibt. Ich denke, dass das Fehlen des Artworks ebenfalls ein echter Verlust ist. Mir fehlt total etwas, wenn ich kein Cover oder kein Booklet habe. Aber vielleicht bin ich eine Bilderstürmerin! Was ich wirklich schwer verstehen kann, ist, wie die Leute mit dem illegalen Downloaden so leichtfertig umgehen können. Die Ironie dabei ist, dass sich diese Leute als “Musikliebhaber“ bezeichnen. Vielleicht glauben sie, dass es fünf Minuten dauert einen Song zu schreiben, eine weitere Stunde ihn aufzunehmen und es deswegen einfach ist, Musik in seiner “Freizeit“ einfach so rauszuhauen, während man 45 Stunden im Supermarkt arbeitet, um sich ab und an das neueste Upgrade für sein Laptop zuzulegen. Die Tatsache, dass “Musikliebhaber“ sich selbst bedienen können ohne etwas dafür zu zahlen und ohne eine Spur von Schuldgefühl zu haben, zeugt für mich von einem massiven Mangel an Vorstellungskraft, der große Teile unserer Kultur ganz allgemein durchzieht: Eine Unfähigkeit – oder vielleicht schlimmer: eine Weigerung – das Gesamtbild zu betrachten. Diese Leute haben ganz wörtlich genommen “keine Ahnung“. Aber die Frage der Bezahlung geht weiter als nur bis dorthin. Das illegale Downloaden ist nur ein kleines Beispiel eines viel größeren Problems, das man in vielen weiteren Bereichen sehen kann. Bezahlung und ein Opfer zu bringen werden als lästige Pflichten gesehen, die man unbedingt vermeiden muss und nicht als notwendige Gesten um die Balance aufrechtzuerhalten. Bedürfnisse und Genuss können nicht unendlich befriedigt werden ohne die entsprechenden Gesten. Wir fangen gerade an, das zu sehen und ich denke, künftig werden wir das noch viel mehr spüren.
Wie bist du mit Jochen Schwarz in Kontakt gekommen und warum hast du als Veröffentlichungsort Die Stadt gewählt?
Ich habe Jochen über Andrew McKenzie kennen gelernt, der ihn mir wärmstens empfohlen hat. Er ist großartig und ich hoffe, dass wir weiterhin zusammen arbeiten werden!
Brian Eno hat über deine Musik gesagt, dass es “einige der außergewöhnlichsten Lieder sind, die ich in den letzten Jahren gehört habe“. Wie fühlt man sich, wenn man solch ein Lob vom “godfather of ambient“ bekommt?
So etwas von ihm zu hören, ist wirklich ein hohes Lob! Er war über die Jahre hinweg eine Quelle der Hilfe und Ermutigung – oftmals denke ich, dass er mehr Vertrauen in mich setzt, als ich es selbst tue!
Man hat den Eindruck, dass es nicht so viele Frauen gibt, die Musik jenseits des Mainstreams machen (z. B. im Bereich Soundscapes etc.). Eine ähnliche Beobachtung zeigt sich, wenn man auf Konzerte geht oder mit Leuten spricht, die einen Mailorder haben (auch als Hörer scheinen Frauen in der Minderheit zu sein). Hast du dafür eine Erklärung?
Ich weiß nicht wirklich genug über die aktuelle Szene um das sinnvoll zu beurteilen. Alles was ich sagen kann, ist, dass sich Frauen ganz allgemein (und natürlich gibt es da Ausnahmen!) nicht so leicht von Geräten und Technologien verführen oder faszinieren lassen wie Männer – es ist wie eine Sprache, die uns nicht so sehr anspricht. Deshalb arbeiten nicht so viele im Bereich Electronica. Aber ich finde es nie bemerkenswert oder seltsam, dass Männer und Frauen nicht gleich sind und nicht die gleichen Vorleiben teilen. Warum sollte das so sein?
Du hast von einigen neuen Songs gesprochen, die gerade “ausgebrütet“ werden. Werden die in eine ähnliche Richtung gehen, wie die “Neither Speak Nor Remain Silent”-Trilogie?
Ich weiß noch nicht. Wenn der Prozess beginnt und sich die Ideen bewegen, scheint es so zu sein, dass alles ein eigenes Leben entwickelt. Ganz allgemein ist es eher ein Balanceakt als eine Ausübung von Kontrolle. Ich denke, dass es so wichtig ist, dass man sensibel ist bezüglich der Veränderungen, die passieren, sensibel bezüglich der Zusammenstöße deiner Ideen und was passiert, wenn sie die “Realität“ treffen und man muss das Bild anpassen und sich nicht strikt an einen vorgefassten Plan halten und versuchen diese unvermeidlichen Zusammenstöße zu vermeiden. Bewegung ist Bewegung – man muss einen starken Gleichgewichtssinn haben, sodass man den Unterschied zwischen einer relativ kleinen Abweichung und einem totalen Entgleisen erkennen kann. Und das Gefühl für die Absicht und den Zweck muss stark genug sein um ein gewisses Maß der Abweichung zu überleben. Sich immer vor dem Unerwarteten zu schützen, ist nicht nur sinnlos – es ist eine riesige Energieverschwendung und in vielerlei Hinsicht ist es eine Art Tod, eine Ablehnung des Lebens. Es ist viel aufregender zu akzeptieren, dass man sich bewegt, als dass man darauf besteht, alles in eine vorherbestimmte Form zu zwingen, die abstrakt da war, bevor die Bewegung begonnen hat. Ich erinnere mich an ein lustiges Gespräch, das ich vor Jahren mit Brian Eno führte – wir unterhielten uns darüber, dass man Texte schon mal falsch versteht. Er hatte eine alte Aufnahme eines Gospelsongs gehört und der Refrain war “Surrender to the Will“ – das wurde mehrfach wiederholt, mit viel Bewegung und Händeklatschen. Aber er verstand “Surrender to the Wheel“ – wir fanden das beide toll! Man kann vielleicht sagen, dass beide Formulierungen das gleiche ausdrückten, aber wir kamen darin überein, dass die zweite, die imaginierte, eigentlich viel eloquenter war.
(M.G., D.L., S.L.)