Clay Ruby und seine Begräbnishexe sind sowohl als Einzelerscheinung als auch im Rahmen eines größeren kreativen Biotops interessant. Zuallererst muss man hervorheben, dass sein Verständnis von Noise kaum in bekannte Kategorien passt, ganz egal, wie man nun selbst zu seiner speziellen Art von „Horror Electronics“ steht, die doomig-ambiente Schwere mit der schmutzigen Abgründigkeit des Powernoise kombiniert und doch mehr ist als die Summe seiner Teile. Das kreative Substrat, das vor einem knappen Jahrzehnt zwischen Madison und Chicago entstand und neben ihm Acts wie Kinit Her, Wooden Wand und, was viele nicht mehr wissen, auch Zola Jesus hervorbrachte, bildet ebenso sehr einen offenen Mikrokosmos für sich, in dem nicht nur Genrezugehörigkeiten bedeutungslos sind, sondern auch die Grenze zwischen regressiver Nischenmentalität und quasi-avantgardistischer Neugier bis zur Unkenntlichkeit verwischt ist.
Rubys Musik ist spontan und unmittelbar, auch in produktionsästhetischer Hinsicht. Dank seiner obsessiven Umtriebigkeit resultierte das in einem mittlerweile recht beachtlichen Output, und es ist erfreulich, dass er einer langfristigen Stagnation keinen Raum gibt und stets an seiner eigenen Häutung arbeitet. Und auch wenn weder Glättung noch Trivialisierung in Aussicht stehen, scheint ihm die Eindämmung des teilweise unübersichtlichen Soundchaos früherer Veröffentlichungen ein Anliegen zu sein, denn Burial Hex ist dieser Tage melodischer und rhythmischer denn je. „In Psychic Defense“, seine neue EP, ist seine bisher eingängigste und auch konzeptuell greifbarste Veröffentlichung, und zu den Neuerungen zählt ein basslastiger Postpunksound, der fast in jedem der vier Songs zu spüren ist. Nicht unwesentlich in dem Zusammenhang ist die Beteiligung des Gitarristen und Bassisten Troy Schafer, der neben seinem eigenwilligen Stammprojekt Kinit Her bereits mehrfach mit Ruby zusammenspielte, vornehmlich beim Lofi Black Metal-Projekt Wormsblood, bei dem man nie so richtig weiß, wo die ernsthafte Hinwendung zum dunklen Nihilismus endet und die nerdige Karnevaleske beginnt.
Beim Opener, dessen rauer Sound sich zunächst recht behäbig nach vorn schleicht, sind die Noiseelemente nur unterschwellig spürbar, und verschwinden mit der Zeit fast völlig unter den geheimisvollen Melodik der Gitarre und den kernig-monotonen Basslinien, die dem Song einen finsteren Groove verpassen. Das dunkle Treiben ist jedoch mehr als bloße psychedelisch mitreißende Geisterschau, und schon das Gralsmotiv auf dem Cover scheint Fundamentaleres anzudeuten. Die Lyrics sind einer alten Hymne an den Erzengel Michael entnommen und künden, wenn auch referenziell sehr offen, von einer kämpferischen Suche in einer dunklen „world without end“.
Ein doomiger Untergrund aus heterogenem Klangschutt leitet über in den nächsten Abschnitt, bei dem ein Barpiano eine geradezu liebliche Melodie intoniert, die ohne größere Entwicklung sogar auf Albumlänge funktionieren würde – so sehr man keine Vergleiche ziehen will, kommen einem an der Stelle doch gewisse Mühlheimer in den Sinn. Irgendwann ist ein unheimliches Klopfen zu hören, und schwere Orgeln leiten über in eine infernalische Soundschlacht. Mit dem Klang von Kreissägen und verzerrtem Growling werden sämtliche Register gezogen, und erneut wird klar, dass Burial Hex nicht einfach eine weitere Noisekapelle ist. „Love is intoxication“ ertönt es, und die Stelle klingt wie ein Fazit, bevor das Stück nach einer kurzen Tanzeinlage in einer coolen Bassline sein Ende findet.
Mit seinem durchgehend veränderlichen Klangbild und seinem assoziationsreichen Text ist „In Psychic Defense“ eine der interessantesten Veröffentlichungen von Burial Hex und hoffentlich zukunftsweisend. Die einseitig bespielte 12”-EP erscheint in 300er Auflage, und es steht zu befürchten, dass sie nicht lange in den Regalen stehen wird.
Label: Sound of Cobra