Carmen Burguess ist nicht nur die weibliche Hälfte des Psych Punk-Duos Mueran Humanos, dessen Wege irgendwann von Buenos Aires über Barcelona bis in deutsche Gefilde führten. In der spanischsprachigen Welt konnte sie sich bereits ein Renommee als Illustratorin erarbeiten, bereicherte mit ihren reizvoll ätzenden Porträts Zeitschriften wie „Quimera“, illustrierte ein Buch des argentinischen Romanciers Javier Calva und zuletzt einen Band mit Gedichten Lovecrafts. Dabei deckt sie von der Kollage über die Zeichnung bis zum Acrylbild eine respektable Bandbreite an Medien ab. Gemeinsam ist all ihren Arbeiten die Leichtigkeit von Comic und Karrikatur und die Lust an der unerbittlichen, schwarzhumorigen Entzauberung all dessen, was man so als Lebensfreude aufgetischt bekommt.
„Seventeen“ enthält eine Serie von siebzehn Kollagen und ist Carmens ironische Auseinandersetzung mit der Geschichte des modernen Schönheitsideals und dessen Präsentation in entsprechenden Magazinen. Dabei hat sie offensichtlich ein besonderes Faible für den Stil der 40er, 50er und 60er Jahre, als das Schönheitsideal von heute gerade seine Weichenstellung erfuhr, als die Massenware Schönheit aber auch noch nicht so verbraucht war wie heute und einen naiven Charme ausstrahlte, der weitgehend verloren ist. Damals konnte auch noch so etwas wie Popart entstehen und Produktdesign zu Kunst erklären. Mit den Reklamebildern bekannter Medienmärkte ginge das heute nur noch der Theorie nach. Alle Kollagen sind seriell nach dem gleichen Strickmuster konzipiert – als Fake-Cover fiktiver Lifestyle-Magazine, die ihre subversive Antihaltung erst gar nicht kaschieren. Ganz im Sinne provokativer Unpop Art geht die Künstlerin eher plakativ als subtil vor, setzt auf humorige Schockwirkung und verpflichtet den geneigten Betrachter, die ihm dargebotene Ästhetik eben nicht einfach so zu schlucken. Die konsumierte Schönheit will ihm diesmal im Hals stecken bleiben, ihn speien machen. Und sollte er ein guter Mensch sein, so mag sie ihm sogar eine Reflexion über Ursprünge, Kontexte und Kehrseiten des Ganzen nahelegen – im besten Sinne brecht’sch, wenn man so will. Ihre Vorlagen sind Fotografien aus echten Frauen- und Modemagazinen, die sie digital oder direkt auf dem Papier bearbeitet. Ob der Effekt dabei auf Verzerrung oder auf die Kontrastierung heterogener Elemente hinausläuft – ihre Technik ist stets die Überlagerung mehrerer Bildschichten. Ein stilgetreu nachempfundenes Coverdesign rundet das Bild ab und sorgt für einen Echtheitseffekt, der die schrillen Motive umso deutlicher hervorhebt.
Die Motive, das können Gesichter aus Plastik sein, die im Rahmen der Symbolsprache von Flammen verschlungen und zum zerschmelzen gebracht werden. Wäre ich mein damaliger Kunstlehrer auf der Dorfschule, so würde ich schon darin das Verheizen von Identität unter der Regie von Mode und Medien erkennen – vielleicht nicht mal zu unrecht, so platt es auch klingen mag. Schon in einem früheren Interview sprach Carmen über die Selbstauflösung speziell von Models „in einer Modewelt, die frivol und zugleich faszinierend ist“ und in der man sich schnell verliert, wenn man „zulässt, dass man mit Dummheit gefüllt wird wie eine Ente, die mit schmutzigem Essen vollgestopft wird, bis ihre Leber platzt und Pastete aus ihr wird.“ Amüsant ist ihre Abrechnung aber durchaus. „Give A Party“ lautet die Schlagzeile von Ausgabe 3, die in einem fiktiven 1949 für schlappe 25 Cent an den Kiosken stand – illustriert mit einem weihnachtlich gestylten Püppchen, dass sich gerade im Zustand spontaner Selbstentzündung befindet. Amüsant Marke Schenkelklopfer, aber das macht in dem Fall nichts.
Ausgabe 5 zeigt eine knabenhafte Schönheit mit Holly Golightly-Blick, die von Carmen gleich einen Jungentorso verpasst bekommt. „Give“ (in Form einer Rote Kreuz-Reklame) und „You can get a good job this summer“ sind die einzigen Worte, die sie für ihre Figur übrig hat, bevor sie sie in einem Kugelhagel ihrer Bestimmung zuführt. Eine Teeny-Puppe aus den Fünfzigern könnte mit ihrem zerstochenen Gesicht glatt Mario Bavas „La Maschera del Demonio“ entsprungen sein, eine zerschmolzene Mary Poppins aus den Vierzigern ziert mit ihrer hohen Stirn ein anderes Cover. Hier wird offenbar eher Spießigkeit als Schönheit zombifiziert, und ohnehin ist es vor allem das Betuliche im Schönen, symbolisiert im Seifenopernlook der Wirtschaftswunderzeit, dem die Abrechnung gilt – und in der Tat müsste man sich ansonsten fragen, warum gerade dieser Zeitraum so sehr im Interesse der Künstlerin steht. Interessant ist eine Art inneres Referenzsystem im Rahmen von Carmens anderen Arbeiten, denn einzelne Motive deuten auf frühere Bilder und verleihen ihnen zusätzliche Bedeutung. Ein besonders fieses Modelporträt mit Pagenkopf und einer klaffenden Vagina genau dort, wo eigentlich ein putzig versnobtes Doris Day-Gesicht sein sollte, ziert auch das Cover des Debütalbums ihrer Band, auch andere Bilder tauchen immer wieder bei Mueran Humanos-Konzerten auf. Die Headline mit dem guten Job ist zugleich Titel eines anderen Bildes, das ein Model bei der Arbeit im Schlachthaus zeigt. Dieses wanderte wiederum auf das Cover einer anderen Seventeen-Ausgabe mit dem Motto „Fashion and Fabrics for each of you“. Wäre ich schlau und hätten wir die 80er, dann würde ich jetzt glatt vom Rhizom faseln.
Spricht man bei Carmens Arbeiten von Modekritik und Entzauberung, dann muss man aber festhalten, dass ihre Bilder kaum deprimieren und auch mit Feminismus nach Miesmacherart wenig zu tun haben. Sie ist keine Moralistin, die über die Oberflächlichkeit der Welt lamentiert, ohne die Freuden ihrer most happy places zu genießen – lost in the funhouse, but so what? Wenn sie hämisch die halb verheilten Wunden eines idealisierten Selbstverständnisses aufreißt, verlieren die deformierten Covergirls nichts von ihrem Sexappeal. Ein „Tja, Pech gehabt“ schwingt immer mit, aber zugleich auch etwas, das einen masochistischen Genussaspekt postmoderner Ästhetik entlarvt: Man kann an seiner Entfremdung zerbrechen, oder sie feiern. Oder eben feiern, dass man zerbricht und förmlich ausbrennt. Auch Carmen selbst spricht von der Lust der Figuren, während sie von den Flammen verzehrt werden: „Was die Mädchen aus der Reihe „Seventeen“ angeht, sie alle haben ihren Frieden mit dem, was sie sind“.
Und damit ist man bei dem angekommen, was „Seventeen“ primär ausmacht: ein abgeklärter, teuflischer Spaß, unter dessen sarkastischer Oberfläche der zugerichtete Mensch genüsslich seinen Verbrennungen erliegt. Die Erstausgabe von „Seventeen“ inklusive Vorwort (Spanisch/Englisch) ist im Dezember limitiert auf hundertsiebzig handgebundene Exemplare erschienen. (U.S.)
Verlag: Cordillera Libros