ARIEL PINK’S HAUNTED GRAFFITI: Mature Themes

Selbstreferenz, spielerischer Umgang mit Zitaten, Ironie und immer wieder Ironie – dieses aus Moderneüberdruss jenseits des Reaktionären entstandene Konglomerat an Eigenschaften, das zirka seit den 60ern durch die akademisch geprägte Kultur geistert und zwanzig Jahre später den heute abgeluschten Stempel „postmodern“ bekam, verließ irgendwann die am Reisbrett entworfenen Biotope und landete im stets mehr sich selbst, dem Zufall und dem Markt überlassenen Bereich des Pop. Dort wurde es dann sogar ein bisschen authentisch, was nicht heißt, dass es die neunzig Prozent unserer Zeitgenossen, die nicht wissen, dass z.B. der Suhrkamp-Verlag existiert, erreicht hätte – es wurde lediglich etwas partytauglicher, und am Campus begeisterten sich dafür fortan nicht mehr nur die Nerds, sondern auch die Coolen und die Sensiblen, ja zu allem Überfluss konnte man die drei Gruppen gar nicht mehr auf Anhieb unterscheiden. Aber stop hier, das soll jetzt nicht in die zehntausendste Hipsterschelte ausarten, zumal all dieser Zirkus auch viel Interessantes losgetreten hat, hübsche Mädchen anzieht und nebenbei viel Festgefahrenes wie beispielsweise Gruftiemusik schamlos zersetzt hat. Ich schreibe das ganze nur, weil eine der beliebtesten Metapop-Ikonen der letzten zehn Jahre, nämlich Ariel Pink, gerade ein unterhaltsames Album voller Songs für den nicht mehr vorhandenen Sommer herausgebracht hat, frech betitelt „Mature Themes“.

Ariel Rosenberg alias Pink hatte schon mehrere hundert seiner einfach gestrickten Lofi-Stücke in seinem Schlafzimmer in LA aufgenommen, als irgendwann Amerika wieder weird sein durfte und seine Zeit gekommen war. Nicht ganz ohne Unterstützung eines bekannten Tierkollektivs von der Ostküste, dessen Mitglieder von seiner Musik derart begeistert waren, dass sie ihn fortan auf unterschiedliche Art protegierten, wurde er zum Aushängeschild einer Generation, für die er trotz Einlulleffekt eigentlich gar nicht ausreichend hippiesk war mit seinen Songs, die sich häufig nach produktiver Resteverwertung von Beach Boys-, Stranglers- und manchmal auch Chris Rea-Abfällen anhörten. Selbstreferenziell und ironisch, zitathaft und voller spontaner Stilwechsel hatte seine Musik stets alles, was man mittlerweile nur noch los werden will, wenn man die Idee einer Kulturgeschichte als frei verfügbares Zeichensystem so langsam zum Gähnen findet. Mit den „Mature Themes“ erinnert er allerdings daran, dass es all diese beiläufige Playfulness auch in gut geben kann, und dass es wohl echt nur darauf ankommt, dass der entsprechende Musiker trotz all der Spielereien auch noch auf ganz ordinäre Art talentiert und kreativ ist und etwas zu sagen hat. Und genau das ist hier durchaus ein Pluspunkt. Eine merkwürdige Erzählstimme zu nettem Sixties Rock, der sich bald in ein orgeliges Showtune verwandelt, eine verhinderte Progressive-Rockoper, die sich garantiert auf alles mögliche bezieht, das ich nicht kenne, prägen das erste Drittel der für Arial Pink-Verhältnisse kaum mehr nach DIY klingenden Sammlung – „Step into my timewarp now“, verkündet ein Liebhaber englischer Sangeskunst und meint damit vermutlich auch den eigenen Retrostil. Ausgereifte Melodien gibt es übrigens zuhauf, von daher geht auch der Albumtitel in Ordnung. Vom Beat der Ramones über folkige Ohrwürmer und Soul der Sixties geht die Reise weiter bis zum netten Studentenpop von „Only in my Dreams“ – „On the beach, in the ocean, in my dreams“ singt da ein Chor zu Ehren eines hübschen Mädchens. Und freilich, die Gefühle sind echt, nur die Worte sind verbraucht, und wer kein naiver Rip Van Winkle sein will, der kommt an Floskeln marke „wie man früher so sagte“ und dem obligatorisch grinsenden Augenzwinkern nicht vorbei. Es sei denn, man ist wirklich cool und pfeift drauf.

Schön an den „Mature Themes“ ist, dass sie einfach nette, solide, im Grunde bisschen altmodisch bodenständige Popmusik sind, bei der man sich vielleicht sogar wundert, was sich neunmalkluge Schreiberlinge da so alles aus den Fingern saugen können. Pink, dem flippigen Chamäleon ist aufs neue gelungen, was Eco oder Tarantino gelingt, wenn sie einen guten Roman respektive Film auf die Beine stellen, bei denen man auf fröhliche Referenzsuche gehen kann, aber nicht muss.

Label: 4AD/Beggars Group