Das aktuelle Album von Sprachgenie Aesop Rock erschien bereits im Sommer, aber da „Skelethon“ wirklich ein großer Wurf ist, und Hiphop auf unserer Seite ohnehin sträflich vernachlässigt wird, soll dieser Kandidat unterschiedlicher Jahrespolls noch rechtzeitig vorgestellt werden. Für alle Zaungäste, die den Namen vielleicht noch nie gehört haben oder kaum etwas Konkretes mit ihm verbinden: Hinter dem Pseudonym Aesop Rock versteckt sich der in New York geborene Wahlkalifornier Ian Bavitz, der seit nunmehr fünfzehn Jahren allein oder in diversen Konstellationen in poetischer Extraklasse rappt und eine street credibility zur Schau trägt, die musikalisch, lyrisch und visuell alle gängige Einfallslosigkeit konterkariert, die einem heute nicht nur bei einigen Kollegen von der Westküste in den Sinn kommt. Aha, ein Rapper ohne Klischees, für den sich auch The Wire und die Feuilletons interessieren – ein Hipster, Klugscheißer und feiner Pinkel also? Weit gefehlt.
Für „Skelethon“ ließ sich Bavitz ungewohnt lange Zeit. Fünf Jahre werkelte er an den Tracks, wobei der Veröffentlichungsturnus sicher auch durch die wirtschaftlich bedingte Gesundschrumpfung seiner früheren Labels unterbrochen wurde. Da solche Amputationskuren nicht immer zugunsten der Besten ausfallen, musste auch der unangepasste Aesop Rock für seine neuesten Aufnahmen einen verlegerischen Umzug einplanen. Auch die sind klanglich und im Bezug auf musikalische Mitstreiter abgespeckt (wobei Bavitz das Album keineswegs auch selbst produziert hat, wie oft behauptet). Weder die selbstgebastelte Rhythmussektion noch die Synthies sind fett, sondern Titel und Cover entsprechend skellettiert, doch auf diesem Gerüst passiert eine Menge. Da wären zum einen kleinteilige Stilzitate en masse, seien sie nun von Studiogästen eingespielt oder gesamplet. Undefinierbare Saitenklänge und ein exotisches Cembalo halten das ansonsten aggressive „Cycles in Gehenna“ mit seinen bedrohlichen Vocals in einer beunruhigenden Spannung. „Fryerstarter“ mit einer smoothen Trompete wäre ohne seine subtilen Breaks und die irritierenden Vocals fast mainstream. Als letztes die vielgerühmte E-Gitarren, die ihm bereits eine Indie-Klassifikation beschert haben. Recht puristisch dagegen der Ohrwurm “Zero Dark Thirty”.
Bavitz liebt Chaos und Hektik, und verfügt doch auch über einen Sinn für Mäßigung – aber eine solche, die die Musik kaum brav erscheinen lässt, sondern gerade so stark kultivierend wirkt, dass die markanten Strukturen umso kenntlicher werden. Nirgends wird das deutlicher als bei den Beats und den Vocals – erstere gerne in Form vitaler Blechperkussion, letztere formal auch gerne mal als Soundquelle eingesetzt und inhaltlich stark überdeterminiert. Sein schier endloser Sprachfluss verführt bisweilen zum Eindruck völliger Auflösung, doch bei mehrmaligem Hören fallen immer mehr rhetorische und lautmalerische Griffe auf. Dies mit rebellischer Haltung, die mehr als Pose ist, und mit skurrilem Humor (wer musste bei dem Disput über Gemüse noch an Coils „Broccoli“ denken?) zu verbinden, ist definitiv eine seiner größten Stärken.
Label: Rhymesayers Entertainment LLC