Dass sich Black Metal nicht mehr nur innerhalb einer abgedunkelten Parallelwelt abspielt, hat sich gewiss weitgehend herumgesprochen und wird wohl nur noch unverbesserliche Puristen in Rage versetzen. In den letzten zehn Jahren kam es vermehrt zu Hybriden mit anderen Musikarten wie Drone, Ambient oder Postrock, im Zuge dessen entstanden ganze Subszenen, exotische Einzelerscheinungen wie Black Metal mit Banjo oder Hackbrett kamen hinzu. Gingen solche Grenzerweiterungen anfangs meist aus der Szene selbst hervor, so wurde das schwarze Metall mit der Zeit auch immer mehr von außen entdeckt, anders sozialisierte Musiker griffen genretypische Stilelemente auf und interpretierten sie auf ihre Weise neu.
Bei aller Vielfalt sind Schwerpunkte auszumachen: Mythologische Sujets waren und sind so angesagt wie eh und je, kämpferisch musste es nach wie vor sein, nur bewegte man sich merklich weg vom christlichen Themenkreis, also auch vom satanischen Widersacher, was angesichts seines zentralen Stellenwerts im Genre schon ausgesprochen unorthodox wirkt – oder auch gerade nicht, wenn man die libertäre Seite einer solchen Weltsicht in Betracht zieht, bei der es ja eigentlich keine Orthodoxie geben dürfte. Auffallend oft wurden die Themen abstrakter angegangen, und weltanschaulich machte eine (ehrlich gesagt meistens etwas kleinkarierte und kindische) Misanthropie Raum für neue Ansätze wie ein mystisch ausgerichtetes Natur- und Umweltbewusstsein. Musikalisch rückte eine gewisse Flächigkeit in den Vordergrund, die allerdings in schnell gespieltem BM seit jeher latent vorhanden war, und vielleicht sollte an der Stelle einmal betont werden, dass auch klassischer Black Metal viel heterogener und kreativer war, als allgemein angenommen – dazu genügt schon ein Vergeich nordeuropäischer mit lateinamerikanischen Standards. Das dekonstruktive, gewohnheitszersetzende Moment der neuen Bands lässt sich jedenfalls kaum an konkreten musikalischen Komponenten festmachen.
Dass das ganze „True/Untrue“-Thema langsam durch ist zeigt unter anderem eine Berliner Newcomer-Band namens Sun Worship, die mitreißende Konzerte gibt, bislang aber nur ein Tape herausgebracht hat: Vor einem Jahr erschien das Debüt, unlängst wurde es beim Global Player Broken Limbs Recordings für ein etwas größeres Publikum neu aufgelegt. Sun Worship sind Musiker mit unterschiedlichen Vorgeschichten. Nach Erfahrungen in verschiedenen Genres hat man dann auch BM für sich entdeckt. Ohne dem Stereotyp des „Hipster BM“ zu entsprechen (gibt es den überhaupt, oder hat man schlicht anständig angezogene Musiker vor sich?), geben die drei wenig auf einschlägige Szene-Codes, aber das Wichtigste, die Musik, die man stilgeographisch irgendwo im Süden Grönlands (also zwischen Skandinavien und Nordamerika) verorten darf, erfüllt nicht nur gehobene Ansprüche, sie sollte auch jeden Puristen zufrieden stellen.
Das Tape-Debüt hat dronige Intros, nach vorn preschende Drumparts und melodische Gitarrenriffs in petto – letztere sind streckenweise so melodramatisch, wie es guter, kitschfreier Black Metal zulässt. Aus dem Zusammenspiel von Schlagwerk und Gitarre entsteht eine verrauschte Klangwolke, die die gesamte Musik umfängt – nicht so undurchdringlich wie etwa bei Velvet Cacoon oder dem Urbild Burzum, wo manche Sounds auch auf einer Jesus And Mary Chain-Platte ihren Platz gefunden hätten, sondern auf die mehr Orientierung zulassende Art von Altar of Plagues oder Wolves in the Throne Room. Unter dieser Wolke können die verzweifelt herausgekeiften Vocals für Momente nahezu verschwinden, nur um sich im nächsten Augenblick umso eruptiver und markanter Bahn zu brechen. Auch was Tempo und Makanz der Rhythmen angeht, gibt es Wechsel in Hülle und Fülle.
Einziges Manko: Das Vergnügen ist ziemlich kurz. Soviel zum Auftakt, der klanglich mehr ist als ein bloßes Demo. Mehr demnächst zur kommenden LP.
Label: Broken Limbs Recordings