Ai fliegen unter dem Radar, noch. Die wichtigste Frage für eine Band ihres Formats, letztendlich: Kann eine Band wie Ai, deren Einflüsse des Soundentwurfs doch recht offen daliegen, mit ihrer Musik trotzdem überzeugen, auf Platte wie bei einem Konzert? Ist da mehr als nur eine Retroschleife, die gerade heute ausgiebig überstrapaziert wird? Erstere Aufgabe ist vorerst aufgeschoben; noch liegt außer einem Compilationbeitrag bei dem kleinen Düsseldorfer Label Slowboy nichts Amtliches vor. Das ist bedauerlich, denn ihr Konzert gelingt – von kleinen Abstrichen abgesehen – mit Bravour.
Im Rahmen eines von Akiko Okamoto kuratierten Abends namens „Nippon Performance” in der Theaterstätte beginnen sie ihr Konzert mit einem Gitarren-Drone, den der adrett gekleidete Gitarrist mithilfe von Effektgeräten erzeugt. Darauf stimmt ihr Knöpfchendreher ein; es zeichnet sich nun schon ab, was später noch deutlicher hervortritt: Dass Ai erprobt zusammenspielen und ein Blick genügt, um sich anzuleiten, abzusprechen. Zu besagten Musikern treten ein weiterer Keyboarder, ein Schlagzeuger und ein Bassist hinzu. Was nun folgt, ist ein Lehrstück in der Verschränkung von Krautrock, elektronischer Musik und Einflüssen, die nicht unmittelbar mit den genannten Genres assoziiert werden. Geschult am Funk steuert ihr Bassist tighte Motive bei, die am Drum-Set um Motorik-Grooves, aber auch Läufen des Drum’n'Bass ergänzt werden. Synthetisch klingen auch dubbige Rhythmen an. Was im weiteren Verlauf von einigen schweißtreibenden Momenten getragen wird, lässt wenig zu wünschen übrig. Ai verstehen etwas von einer Musik, die Anti-Rock ist, indem sie auf all die stumpfen Posen der klassischen Breitbeinigkeit verzichtet und heftig mit der Ewigkeit flirtet, wie sie Michael Rother im Sinne hatte, als er mit Neu! Maßstäbe setzte. Berechtigt vorzuwerfen ist ihnen nur die Performance ihres einzigen, bisher veröffentlichten Stücks: Um eine Gastsängerin addiert, klingt ihr lautmalerischer Beitrag leider etwas schwach, was auf der Studioaufnahme nicht der Fall ist.
Ein Konzert ist dann gut, wenn es das Gefühl vermittelt, dass alles möglich ist. Ai erfüllen diesen Anspruch und wecken Neugier auf einen vollständigen Tonträger.
(Paul Erntges)
Bilder: Łukasz Wróbel.
Mitschnitt des Konzertes auf Soundcloud