LIGHTNING DUST: Fantasy

Als Amber Webber und Josh Wells vor rund sechs Jahren erstmals mit ihrem Projekt Lightning Dust aus dem Schatten der Stammband Black Mountain heraustraten, überraschten und erfreuten sie ihre Anhänger mit einem entrückten Werk, das in seiner minimalen, akustischen Klanggewandung definitiv mehr Dust als Lightning war. Vor allem Amber konnte sich hier als Ausnahmesängerin beweisen, denn ihr fragil anmutendes Vibrato, das bei Black Mountain immer mit treibendem Schlagwerk und kernigen Psych Rock-Riffs um den zentralen Platz auf der Bühne konkurrieren musste, stand hier erstmals im Zentrum. Das Debütalbum fing so etwas wie die Essenz von Stücken wie „Queens Will Play“ ein und dehnte sie auf die Länge eines großartig verhuschten Albums aus.

2007 war indes das Jahr, in dem der Akustikboom der Nullerjahre, der Phänomene wie New Weird America hervorbrachte, vollends Makulatur wurde, und angesichts zahlloser Gruppen, die sich auf eigene Entscheidung (oder auf Empfehlung von Imageberatern) systematisch entfolkten, war man über den Sprung in elektronischere Gefilde, zu dem Lightning Dust mit ihrem Zweitwerk „Infinite Light“ ansetzten auch nicht allzu überrascht. Neben balladesken Stücken, die eine Brücke zu den Anfängen bildeten, fanden sich hier eine Reihe punkig angehauchter Synthiesongs, die Ambers Stimme eine ganz andere Konnotation gaben. Nach fünf weiteren Jahren steht jetzt der dritte Longplayer des Duos in den Regalen, und angesichts der verstrichenen Zeit hätte man eventuell noch größere Sprünge im Stil erwartet. Analoge Retro-Elektronik steht nach wie vor auf dem Programm, der markanteste Unterschied ist diesmal eine deutliche Spur Black Music.

Die ersten Sekunden Schlagwerk lassen fast eine Hinwendung zum Rock erwarten, ein Eindruck, der auch dann bestehen bleibt, wenn das Keyboard in Fleetwood Mac (oder Van Halen-)Manier seinen Teppich ausbreitet. Doch die Musik entpuppt sich schnell als melancholisch eingefärbter elektronischer Pop, bei dem sich wavige und R’n'B-lastige Geschmacksrichtungen die Waage halten. Viele der Stücke verbinden Downtempo mit Wehmut und wollen vordergründig nicht so recht zu Titeln wie „Reckless and Wild“ passen. Beide Musiker verstehen sich auf berührende Melodien, er mit den Händen auf dem Wurlitzer, sie am Mikro, wobei mir der Gesang oft etwas stark in den Hintergrund gemischt ist. „Fire me up“ und „Loaded Gun“ halten dann auch was ihre Titel versprechen und bieten griffige, kompakte Synthies zusammen mit geradlinigem, fast noisigem Takt.

Zu den Höhepunkten zählen jedoch die Stücke, die aus dem Rahmen fallen, namentlich „Moon“, „In the City tonight“ und „Agatha“. Hier greift die Sängerin zu ihrer stromlosen Gitarre und eröffnet mit Cellobegleitung ein kleines Kontrastprogramm an folkigen Torch Songs, deren Schlichtheit die vielleicht bewundernswerteste Qualität der Sängerin in sich birgt – die Kunst, mit einem tremolierenden Popsopran eine Stimmung heraufzubeschwören, welche die Hörer vordergründig in kontemplativer Ruhe wiegt. Doch diese Stimmung ist von fragiler Gestalt, und erst mit der Zeit realisiert man, dass die Explosion, die man allenthalben erwartet, nicht ausbliebt, sondern Teil dieser doppelbödigen, zittrigen Ruhe ist.

Label: Jagjajuwar