TREPANERINGSRITUALEN: The Totality of Death

Das nach einer archaischen Methode Schädel zu operieren (eine Abbildung der Prozedur findet man auf dem „Ritualer, Blot & Botgöring“-Tape) benannte Einmannprojekt des Schweden Thomas Martin Ekelund sorgt mit dieser Zusammenstellung von (bis auf wenige Ausnahmen) schon veröffentlichten Stücken bewusst für leichte Verwirrung, veröffentlichen die beiden Label Silken Tofu und Malignant zeitgleich zwei gleich betitelte CDs, deren Artwork sich nur minimal unterscheidet, die allerdings völlig andere Stücke enthalten. Bei dieser Rezension wird es um die CD auf Silken Tofu gehen.

Der Name des Projekts illustriert sehr gut die Musik – zum einen wird durch den Verweis auf die oben erwähnte obsolete medizinische Technik das Archaische, vielleicht Rückwärtsgewandte betont, zum anderen ist die Trepanation im 20. Jahrhundert verwendet worden, um andere Bewusstseinszustände zu erreichen (Der Niederländer Bart Huges meinte in einem Interview, das in der Winter 66/67-Ausgabe des Transatlantic Review abgedruckt war: „I think that no construction of adults can work optimally unless each adult in the construction is trepanned.“). Archaik und Irrationalität sind sicher Kennzeichen von Trepaneringsritualen. Auf den bisherigen Tape- und Singleveröffentlichungen hatte Ekelund sich dann auch bewusst einer Lo-fi-schwarzweiß-Ästhetik verschrieben, die zwar nicht immer bar jeden Klischees -die Runen auf dem Cover verweisen auf einen Künstler, der sich vor Jahren einmal über die sexuelle Attraktivität Helmut Kohls ausließ und tatsächlich findet sich auf der Zusammenstellung auf Malignant eine rabiat-monotone Coverversion von „C’est un rêve“-, aber dennoch sehr effektiv war.

Ekelund hat mehrfach auf verschiedene Projekte hingewiesen, die ihn besonders stark geprägt haben und auf der Silken Tofu-Veröffentlichung kann man den Einfluss den Brighter Death Now haben, deutlich (heraus)hören: Dabei sollte man weniger an harsche Alben wie „Innerwar“ oder „May All Be Dead“ denken, vielmehr sind „Great Death“ oder „Necrose Evangelicum“ Referenzpunkte, also Alben, die ganz entschieden das (mit)prägten, was unter Death Industrial verstanden wird. Und natürlich ist in diesem Zusammenhang auch das Zero Kama-Vorgängerprojekt Korpses Katatonik zu nennen, denn auf „The Totality of Death“ (oder sollte man nicht auch von „tonality“ sprechen?) geht es (fast durchgängig) darum, einen unangenhmen (Klang-)Raum zu erzeugen, in dem mysteriöse, archaische Dinge zu passieren scheinen, wodurch das Ganze durch Titelgebung manchmal einen blasphemischen Anstrich bekommt: Das von primitiver schleppender Perkussion und verzerrtem Gebrüll dominierte „Eucharist of Shit and Piss“ ist vielleicht Ekelunds Untermalung von Andres Serranos „Piss Christ“. Verglichen damit ist der Opener „Beläten“ wesentlich zurückhaltender, aber nicht weniger intensiv: Mit Hilfe von ein paar knrischenden, verhallten Geräuschen wird eine extrem beunruhigende Klanglandschaft erzeugt, bei der Hörer fortwährend auf die Eruption wartet – es bedarf hier aber keiner großen und brachialen Gesten. Auf „Rúnatal“ hört man eine nur noch zu erahnende Stimme, die murmelt, rezitiert, beschwört. Das ist vielleicht das atmosphärisch dichteste Stück auf dieser Zusammenstellung und lässt an den zweiten Teils des Projektnamens denken. Auf „A Ω“ wird die Stimme von vereinzelten Schlägen untermalt. Auch das das Album abschließnde 14-minütige „Den Fallne Dómaldrs Lik“ oder „Sacrament & Crucifixion“ bewegen sich auf ähnlichem Terrain. Aggressiver sind Stücke wie das rhythmische „Veil the World“ oder das ursprünglich dieses Jahr auf der „Judas Goat“-7′ veröffentlichte „Didymus Christ“, das erratische Perkussion mit Gesang kombiniert, der sich ganz stark Richtung Power Electronics bewegt. Das erinnert dann an auch an die Auftritte von Ekelund, die für mich aber eine ganz andere Stimmung erzeugen als die Studioaufnahmen. Haben diese in ihren besten Momenten etwas wirklich Beängstigendes, so sind die Auftritte mit (Kunst-?)Blut im Gesicht, Kutte und Dreiviertelhose (die aussieht, als sei sie bei KiK gekauft worden) viel stärker im Camp verortet. Das ist gar keine Kritik, denn Auftritte sollen (auch) unterhalten und Ekelund beweist problemlos seine Qualitäten als Entertainer. Schädelbohrungen zur Erweiterung des Bewusstseins und Rituale möchte man vielleicht auch eher in den eigenen vier Wänden vornehmen.

(J.M.)

Label: Silken Tofu