Der Bastard – einst der Spross einer Verbindung, die nicht sein durfte, quasi der kleine Bruder des „Mischlings“. Heute dagegen ist er der große Bruder des missratenen Sohnes. Man nennt ihn beim Namen, ohne dabei allzu vulgär sein zu müssen, und kann dabei sogar noch einen Funken Bewunderung mit anklingen lassen – the lucky bastard u.s.w. Peter Kastner hat sich, wenn er gescheit ist, zu all dem keine allzu tiefgreifenden Gedanken gemacht, als er vor einiger Zeit die fünf in New York gezeugten Bastarde in die Welt gesetzt und auf LP hat pressen lassen. Er betrachtet sie als Postkartensounds, die einen Eindruck der Stadt vermitteln sollen.
Für einen Moment musste ich an Sam Shalabis musikalische Hommage an Kairo denken – nicht nur, weil die beiden Metropolen durch ihre fruchtigen Spitznamen Big Apple und Big Mango ohnehin aufeinander bezogen sind, sondern weil in beiden Fällen mit einer Menge an Alltagsgeräuschen gearbeitet wird, die den Herkunftsort nicht gleich erkennen lassen. Doch im Unterschied zu dem Realisten vom Nil, der sowieso noch stark mit Versatzstücken herkömmlicher Musik arbeitet, zeichnet Kastner hier ein ausgesprochen stilisiertes Bild der Stadt, die sich zwei LP-Seiten lang als Ort des Rumpelns, der Schreie und der Detonationen entpuppt. Wir befinden uns also in einem musikalischen Gebiet, dass mit Orientierungsfloskeln wie noisig, atonal, collagiert und dergleichen abgesteckt ist.
Eine zusammenhängende Geschichte oder ein anschauliches Panorama bieten die fünf Bastarde nicht, auch wenn die geloopte Frauenstimme zu Beginn, wohl eine nachträglich malträtierte Flughafenansage, so etwas suggerieren mag. Die einzelnen Abschnitte, auch innerhalb eines Tracks, sind stets auf einzelne Klangereignisse fokussiert, die nicht nur ausgesprochen plastisch sind, sondern zudem den skurrilen Charme cartooniger Outsider Art ausstrahlen und so die Brücke zu Kastners visuellen Arbeiten – fiesen Zeichnungen mit naivem Kindchenschema – schlagen.
Jeder Abschnitt führt in einen kleinen Raum, hinter dessen Tür jeweils eine Gruppe von Geräuschen gefangen ist. Blechernes Gerümpel und sonstige herumgewirbelte Objekte lassen einen schnell in Deckung gehen, anderen Orts sorgen drahtiges Rasseln und hölzerne Klöppeleien für einen ähnlichen Effekt, während die manchmal ganz plötzliche Präsenz lebender Organismen in Form von Keuchen und Stöhnen nicht gerade für Beruhigung sorgt. Höre ich da eben ein in die Enge getriebenes Tier, oder geht nur gerade meine paranoide Fantasie mit mir durch?
Unverhoffte Brüche und spontane Wendungen zeigen, dass der Musiker immer am Ball bleibt und sich – trotz konsequent vermiedener Spannungskurve – keine Längen gönnt. Kohärenz? Durchaus, neben wiederkehrenden Klängen, die das Metallische, zeitweise Maschinelle niemals idealisieren, wird sie v.a. durch die perkussiven Schläge gestiftet, die in ganz wohlwollenden Augenblicken sogar an herkömmliche Rhythmen erinnern. Wäre ja wohl auch etwas abwegig, wenn in der Stadt, die niemals schläft, nicht getanzt werden könnte.(U.S.)
Label: permaREV Platten