Dass man mit monotonem Anschlag auf Gitarren- oder Banjosaiten ein ungemein „mystisches“ Stimmungsfaszinosum erzeugen kann, wissen alle, die schon einmal in die Welt obskurerer Formen des Folk und Altcountry eingetaucht sind und z.B. Bekanntschaft mit den aus Zigarrenkisten hergestellten Instrumenten Timothy Renners gemacht haben. Auch dass mollastige, doch besser nicht zu süßlich gespielte Flöten und schlichte Trommelbegleitung einen solchen Effekt noch steigern können. Fällt dabei gelegentlich die Bemerkung, dass solche Musik auch stark auf afrikanischen Einflüssen basiert, neigt man vielleicht dazu, das beiläufig abzunicken – man hat es ja schon öfter gehört, aber ein echtes Interesse kommt nicht auf, da man zu afrikanischer Musik doch eher andere Klischees im Kopf hat. Dunkel beschwörendes Saitenspiel hat abendländisch zu sein, der Afrikaner hat polyrhythmisch zu trommeln.
Mit der Feststellung, dass es ohnehin zahllose afrikanische Musikarten gibt, will ich mich hier nicht aufhalten und gleich zu King Ayisoba kommen, einem Multiinstrumentalisten, der in seiner Heimat Ghana längst ein preisgekrönter Star ist und in seiner vielseitigen Musik u.a. auch einen Eindruck vom mysthischen Saitengedresche in westafrikanischer Ausprägung vermittelt. Anders als in früheren Aufnahmen verzichtet Ayisoba und seine Band beim neuen Album „Wicked Leaders“ komplett auf Elektronik, dafür kommen ausschließlich traditionelle Instrumente aus diversen Provinzen Ghanas zum Einsatz. Das Bekannteste ist sicher das seit langem weltweit verwendete Xylophon, Perkussionsgeräte wie Guluku und Sinyaka kennt man weniger dem Namen als vielleicht dem Klang nach. Der King selbst bleibt bei dem, was er seit seiner Jugend zur Meisterschaft kultiviert hat – seinem kehligen Gesang und dem repetitiven Zupfen und Schrammeln auf der Kologo, einer traditionellen westafrikanischen Laute.
Bei einigen Songs geht das Instrument im Chor der mehrstimmigen Gesänge und anderer Klangerzeuger auf, wie beim Opener und beim Titelstück, die extrem tanzbar sind, auch wenn einem die Rhythmen, gut kaschiert hinter vorlauten Bläsern, einiges abverlangen. In solch ausgelassenen Momenten kommt vitale Lebensfreude zum Ausdruck, die sich auch in den Texten niederschlägt (die in den Liner notes noch einmal paraphrasiert werden für jene, die kein Frafra oder Twi beherrschen, in denen einige der Lyrics verfasst sind). Das kann sich in kämpferischem Behauptungswillen manifestieren („poor men can survive too“) oder in sympathischen Apellen an die „wicked leaders“ dieser Welt, sich ihre Vaterrollen zu erinnern. Was vordergründig naiv wirkt, erscheint bei genauerem Hinhören wie ein ironischeer Umgang mit dem eigenen politischen Bewusstsein, das zwischen Resignation und Verantwortungsbewusstheit zerrissen ist. Den Löwenanteil des Albums nehmen allerdings spartanisch instrumentierte Folkstücke ein. Mit wenigen Akkorden, manchmal begleitet von Rasseln und Flöten, entsteht eine beschwörende Athmosphäre, die die Geister eines unentdeckten Landes auf eine Weise evoziiert, die durchaus Raum für exotische Projektionen lassen würde – wenn die erdige Gestalt der Songs nicht ohnehin zu sperrig für Träumer wäre.
Texte und Liner notes geben Einblicke in eine spirituelle Welt, in der Kultur, Natur und Übersinnliches stets ineinander übergehen, wo Tiere, Menschen und Geister ihre Abhängigkeitren stets neu verhandeln. Kommt die westliche/nördliche Beurteilung von Okkultismus und Hexenglaube in Afrika immer mehr einer rassistisch eingefärbten Panikmache gleich, bei der die Schattenseiten solcher Praktiken der angeblich immer schon korrumpierten „Naturreligion“ angelastet werden, während sich Kolonialismus und Kapitalismus in Unschuld sonnen dürfen, begegnet King Ayisoba den allgegenwärtigen Geistern mit Humor. Seinem Freund, dem Kiffer, hat man in „Akolbire“ zwar den Verstand verhext, ihm selbst aber kann kein Gespenst selbst in der Mitternachtsstunde etwas anhaben. Er hat nämlich, wie er den Hexen in „Sunsua“ entgegnet, seinen wichtigsten Schutz dabei – seine Kologo.
Ich wünswche ihm von Herzen, dass die ihn auch von Afrikaklischees im Norden schützt und ihm außerdem die verdiente Aufmerksamkeit zukommen lässt. (U.S.)
Label: Makkum Records