When the borders become fuzzy: Interview mit Compound Eye

Die beiden Musiker, die sich hinter der Hommage an das Seltsame des Facettenauges verstecken, haben zusammen einen umfangreichen musikalischen Stammbaum: Tres Warren hat mit den Psychic Ills Psychrock eine neue Dimension gegeben und im Kopf der Zuhörenden „Hazed Dreams“ entstehen lassen, Drew McDowall hat mit seiner damaligen Frau Rose Anfang der 80er The Poems gegründet, als Captain Sons and Daughters mit Kara Bohnenstiel akustische und elektronische Instrumente dröhnen lassen und war eine Reihe von Jahren Mitglied von Coil. Als Compound Eye haben Tres and Drew auf inzwischen drei Platten die Möglichkeiten ausgelotet, die Drones bieten, ohne sich allzuengen Genregrenzen zu unterwerfen, wie sehr schön ihr letztes Album “Journey From Anywhere” beweist. Anlässlich ihres Deutschlanddebüts im Kölner Stadtgarten traf ich Compound Eye. Dass das Interview (fast) ohne verbale Beteiligung von Tres erscheint, hat weniger mit Desinteresse seinerseits zu tun, sondern war vielmehr seiner Grippe geschuldet.

English Version

Vielleicht können wir mit einer eher langweiligen Frage beginnen, du könntest ein bisschen was dazu sagen, wie es eigentlich mit Compound Eye seinen Anfang nahm.

Tres und ich waren Freunde. Wir hatten uns durch einen gemeinsamen Freund kennengelernt und über ein Konzert der Psychic Ills. Ich bin ein großer Fan und es war eine dieser Geschichten: Wir unterhielten uns und beschlossen, mal in irgendeiner Form zu kollaborieren und es war ein langwieriger Prozess. Ich glaube, das erste Spring Press-Album kam 2010 heraus [eigentlich 2012] und ich glaube, dass wir 2007 begonnen haben. Weißt du, wir haben diese vorsichtigen Schritte gemacht, uns einfach getroffen, uns und unsere verschiedenen Arbeitsweisen beobachtet. Von da aus ging es dann los. Auch wenn wir aus unterschiedlichen Musikrichtungen stammen und vielleicht andere Hintergründe haben, gibt es eine Ähnlichkeit, eine experimentelle Ähnlichkeit und das war eine gute gemeinsame Basis.

Wo wir gerade bei experimenteller Musik sind. Eure erste Platte ["Origin Of Silence"] ist inzwischen ganz schön teuer.

Wir versuchen eine Nachpressung zu veranlassen, aber Jeffrey Burch mag diese limitierten, diese wunderschönen Arteditionen, insofern wird er sie wahrscheinlich nicht nachpressen und die Platte wird immer teurer werden. Sie war auch nicht einmal digital erhältlich. Kein Download, insofern ist die einzige Möglichkeit, wenn sie jemand physisch brennt, wenn er sie abspielt.

Als ich eure letzte Veröffentlichung [„Journey From Anywhere“] bekam, dachte ich an den Bandnamen, und die vielen Assoziationen, die ich hatte, drehten sich um unterschiedliche Perspektiven und Zugänge. Ist das zu weit hergeholt, oder…?

Nein, du bringst es genau auf den Punkt. Ich meine auf eine grundlegendere Weise war ist es wirklich eine Wertschätzung des Facettenauges gewesen, wie verdammt seltsam so etwas ist. Die Analogien und Metaphern haben sich von da aus entwickelt. Zuerste einmal, wie seltsam die Realität ist; die Natur ist die seltsamste Sache und sie hört niemals auf erstaunlich seltsam zu sein. Etwas wie ein Facettenauge, wie das Auge eines Insekts und auch versuchen sich vorzustellen, wie es ist, etwas wahrzunehmen, das wirklich anders ist. Ich weiß nicht mehr, wer das einmal sagte: Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein, ich möchte mir vorstellen, wie es sich für eine Fledermaus anfühlt, eine Fledermaus zu sein. Ansonsten wäre es Fiktion.

Wenn du diese Dinge erwähnst, würdest du agen, dass die Art Musik, die ihr spielt, die Wahnehmung verändern und die Pforten der Wahrnehmung reinigen kann, um es mit Blake zu sagen.

Ich für meinen Teil finde, dass das der Ausgangspunkt sein sollte, wenn man Musik macht. Das ist nur meine Ansicht dazu. Das sollte der erste Schritt sein. Mit einem unbeschriebenen Blatt beginnen und dann genau dies hinzufügen. Wenn Musik die Wahrnehmung nicht verändert, ist sie für mich als schöpferischer Mensch nicht interessant. Du weißt ja, “Journey from anywhere, journey to nowhere.“

Können Titel die Hörer lenken?

Wenn es dir um ein “Lenken der Hörer” geht, dann willst du nicht bloß etwas, das sich gut anhört, das du oben auf ein Stück Musik draufklatschst, was ja die einfachste Sache der Welt ist. Der Titel sollte wirklich stark zur Musik passen und sie, wenn möglich, sogar noch besser machen. Manchmal existiert ein Titel früher als das Musikstück. Er soll dir einen kleinen Blick durch den Schleier verschaffen, ihn ein kleines bisschen zur Seite schieben, eine Idee vermitteln. Man will ja meistens nicht wörtlich seine Ideen ausdrücken, aber es sollte eine Art Wegweiser sein. Du kennst das sicher, man nimmt irgend ein beliebiges Wort und zapft es an. Das Burroughs-Ding: Wie beliebig ist beliebig? Das war ein bisschen der Maßstab.

Würdest du sagen, dass die Idee der Beliebigkeit auch bei einigen eurer Kompositionen eine Rolle spielt? Auf eurem letzten Album wird ein Track als “cut-up composition“ bezeichnet.

Ja ja, das machen wir, die Cut up-Sache. Wir machen das aber nicht sehr oft. Es passiert meistens beim Editieren, das kann schon sehr beliebig werden, Cut ups machen und dann sehen, was passiert. Doch auch im Prozess des Komponierens wird viel dem Zufall überlassen, vieles ist instabil, vieles das wir mit modularen Synthies machen, ist sehr random. Wie wir den Syntheziser einsetzen, das ist oft beliebig und hat viel von Stochastik. Es gibt also eine Beliebigkeit, aber innerhalb eines begrenzten Rahmens.

Gab es Zufälle bei euren Auftritt heute, da ja anscheinend ein paar Instrumente fehlten?

(lacht) Wir hatten letztlich dann doch alle Instrumente zusammen, selbst in der letzten Minute musste ich noch nach ein paar Kabeln suchen, die nicht da waren, und so mussten wir uns irgendwie behelfen. Teilweise haben die Anschlüsse nicht funktioniert, wir mussten also das beste hoffen. Es gibt einen feinen Grat zwischen einer Katastrophe und was auch immer das Gegenteil einer Katastrophe ist. (lacht) Deshalb mag ich es auf unsere Art machen. Dass wir auf der Klinge des Chaos und der Instabilität herumhüpfen. Du gehst diesen schmalen Grat und kannst jeden Moment auf die Schnauze fallen (lacht). Das macht Spaß. Es hält das Herz in Bewegung. Du brauchst keinen Kaffee (lacht).

Wie denkst du dann über Musik, die auch in Live-Situationen hauptsächlich mit einem Laptop gemacht wird?

Es kommt darauf an, wer so etwas macht. Wie war sein Name nochmal? Wer hat vor uns gespielt.[Sote] Ich habe vorhin mit ihm gesprochen…Das Schlechteste, was du meiner Meinung nach machen kannst, ist auf die Bühne zu gehen und nur “Play” zu drücken. Das ist einfach nur langweilig. Aber er hat ziemlich offensichtlich sehr viel in Echtzeit bearbeitet. Das ist an sich schon sehr interessant. Prinzipiell bin ich kein so großer Fan von der Idee, einen Laptop auf die Bühne mitzunehmen, oder jemand anderem dabei zuzusehen. Ich weiß nicht, warum das so ist, es ist nur immer, es ist wahrscheinlich schon so lange missbraucht worden und nicht auf gute Weise, sondern dass Leute kommen und Playback läuft.

Vor einigen Jahren hat Ivan Pavlov [COH] in Frankfurt gespielt und er hat das, was er mit seinem Laptop gemacht hat, auf eine Leinwand projeziert, so dass jeder sehen konte, was er da gemacht hat, um es transparenter zu machen. Und wir haben [vor dem Interview] kurz über die Sleaford Mods gesprochen. Es scheint eine ehrliche Art zu sein, einfach nur den Knopf zu drücken und nicht so zu tun, als mache man irgendetwas, nur dastehen und Bier trinken.

Ja, das ist ein Teil der Performance. Ich möchte sowohl über Ivan als auch über Sleaford Mods sprechen. Bei Sleaford Mods, also bei Jason Williamson und dem anderen Typen, dessen Name ich vergessen habe, bei denen ist das genial, die werden das sicher nicht immer so machen, aber es funktioniert, weil es so beabsichtigt ist. Es geht nicht nach dem Motto ok, ich will das jetzt machen, weiß aber nicht wie, also mache ich es mit dem Laptop. Du merkst, dass das bei denen wirklich dazu gehört. Auch bei Ivan. Ivan ist so demonstrativ (lacht) pro Laptop, du darfst es nicht einmal berühren (lacht). I mag ihn sehr gerne. In New York hatte er eine Performance mit anschließender Fragerunde. Und irgendwer (lacht), irgendwer wagte es, er tat mir so leid, ihn zu fragen, welche Software er verwendet, und für uns war das wie wenn man einen Gitarristen fragt, was für Saiten er benutzt, die langweiligste Frage, die man sich vorstellen kann. Er kann seine Position besser verteidigen als irgendwer sonst. Ich mag das sehr und er versucht erst gar nicht so zu tun, als gäbe es da einen performativen Aspekt. Er wirkt nicht so, alos würde er sich gerade abarbeiten und mit dem Laptop kämpfen. Es gibt einige sehr langsame, gewollte Bewegungen. Aber es ist auch nichts, was ich selbst so machen wollte. Aber es freut mich, dass du diese Leute erwähnst. Und jetzt ist daraus so eine Art Anti-Laptop-Sache geworden (lacht).  [zu Tres] Du verwendest niemals Laptops.

T: Nein.

Ich glaube bei unserer allerersten Performance mit Captain Sons and Daughters haben wir einen verwendet, ich weiß es nicht mehr genau, ich glaube, wir haben den bei den Proben benutzt.

Wo du gerade ein älteres Projekt von euch erwähnst und die Gemeinsamkeiten zu Compound Eye, betrachtest du diese früheren Projekte immer noch als relevant? Gibt es Projekte, von denen du sagen würdest, dass sie eine große Rolle in deiner musikalischen Entwichkung gespielt habe, während andere eher vorläufige Schritte darstellten?

Ja, das war auf jeden Fall bei Coil so… Du kannst dem nicht entrinnen, es ist etwas, das Teil von mir ist. Es gab irgendwas in unserer Zusammenarbeit, das eine bestimmte Herangehensweise begründete. Ein Prozess, der nicht mehr rückgängig zu machen ist. Dann muss ich zu meiner ersten band überhaupt, The Poems zurückgehen, wir verwendeten ja Tape-Manipulation und Cut-up Tapes. Ich war 16 und machte Cut-ups und Tapeloops. Ich denke, mit Tres und Psychic Ills seid ihr durch viele Wiederholungen gegangen. Ein gemeinsamer Faden. Ich erinnere mich daran, dass ich einmal Psychic Ills gesehen habe und es floß in dieses dunke LSD-Loch, es war, als ob man in ein schwarzes Loch des Ausgeflipptseins. Das spiegelt sich in Compound Eye wider. Aber auch die Sachen von Captain Sons And Daughters. Es ist alles verbunden.

Ich habe kürzlich ein Video einer Captain Sons and Daughters-Performance auf Youtube gesehen und konnte einige Gemeinsamkeiten hören.

Ich denke, ich hatte einen Modular, aber ich habe Gitarre gespielt. Ich mag das, wenn die Ecken zerfransen und man das alles nicht mehr so leicht auseinanderhalten kann.

Ich hatte mit den Ursprüngen der Band angefangen und wollte zum Abschluss noch nach euren zukünftigen Plänen, Aufnahmen u.s.w. fragen.

Wir werden weitermachen. Wir werden ein neues Album aufnehmen. Tres nimmt gerade ein Psychic Ills-Album auf und ich mache ein Soloalbum. Aber sobald wir damit fertig sind, fangen wir mit dem nächsten Compound Eye-Album an. Es wird ein paar Elemente von dem haben, was wir heute Abend gemacht haben. Beim letzten Album war jeder Track anders, aber es gibt ein paar gemeinsame Themen. Das wird genauso werden. Eine Variation..

Der letzte Track heute hatte ein paar rhythmische Elemente.

Ja, das ist auf jeden Fall etwas, das wir erforschen werden.

(M.G.)

Bandfotos: Jessica Dell, Jessica Gordon

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