Vielleicht würde Erik Friedlander die Bedeutung von Konzepten in seiner Musik nicht allzu hoch ansetzen, dennoch spielen inhaltliche Sujets in seinen Aufnahmen eine große Rolle, beziehen sich doch zahlreiche seiner ohnehin zahlreichen Kompositionen, wenn sie nicht sowieso für Film oder Theater geschrieben sind, auf konkrete Ereignisse oder sind dem Andenken an ihm nahestehende Personen gewidmet. Bedenkt man dann noch die permanente Dynamik von Stimmungen und Spannungen, dann wundert es kaum, dass der New Yorker Cellist sich in erster Linie als Erzähler versteht.
Mehr noch als in seiner Musik für den Film “Nothing on Earth” ist Friedlander in seinem neuesten Album “Illuminations” ein Weitererzähler, der einen aufgefundenen Erzählfaden in eine ganz eigene Richtung weiterspinnt. “Illuminations” ist ein vage von Bach inspirierter Zyklus von Cello-Sätzen und ein reines Solowerk. Ursprüglich wurde die aus zehn Abschnitten bestehende Suite für einen Auftritt im Jewish Museum of New York improvisiert, das gerade eine Ausstellung mit alten “illuminierten” Handschriften in hebräischer, arabischer und lateinischer Sprache durchführte.
Man erfährt aus den Begleittexten wenig über die Inhalte der Schriften, doch die anheimelnde Atmosphäre dunkler Regalreihen mit ledernen Folianten und brüchigen Pergamentrollen durchzieht die geheimnissvolle Musik vom Auftakt bis zum Ausklang. Bei der Auswahl an Stoffen und Motiven scheint er recht intuitiv vorzugehen und hält sich kaum an den Rahmen der Ausstellung, denn sein Fundus reicht hier von tibetischer Ritualmusik über italienische Tänze zur Exorzierung von Spinnenbissen bis hin zur jüdischen Liturgie und einer Hommage an die Mystikerin Hindegard von Bingen. Der Fokus aufs Rituelle scheint das einzig verbindende in diesem intertextuellen Rahmen zu sein.
Musikalisch wirkt all dies jedoch überraschend gut durchmischt, so dass – auch im steten Wechsel von hypnotischen zu eher aufgelösten Passagen – immer ein fragiler Schein von Homogenität gewahrt bleibt. Oft ist es eine den Laien an Continuous music erinnernde Simplizität, welche die Kamerafahrten durchs Halbdunkel der Regalreihen und die Close-ups auf runzelige Gelehrtengesichter begleitet und ganz heimlich ein paar unerwartete Motive und sonstige Dynamiken einschmuggelt.
Der augenfälligste Wechsel ist der zwischen Abschnitten mit und ohne Bogen, und in den vielen Pizzicato-Passagen mag man sich bisweilen an Lautenmusik der spanischen Renaissance oder auch an das Geitarrenspiel von Sir Richard Bishop erinnert fühlen. Auch Friedlander ist nebenbei Gitarrist, auch wenn das nicht so bekannt ist. Tiefe Vibratos auf den gestrichenen Saiten sind rar, geraten aber vielleicht schon deshalb zu kleinen Höhepunkten des Albums. (U.S.)
Label: Skipstone Records