Oiseaux-Tempête gründeten sich vor einer handvoll Jahren in Paris und sind so etwas wie eine feste Band und ein offenes Kollektiv zugleich. Mit einem gängigen Rockinstrumentarium bildet ein harter Kern an Musikern die Basis für die meist instrumentalen Kompositionen irgendwo zwischen tremolierendem Gitarrenambient und kantigem, schwerem Doom, an dem auch jemand wie Jim Jarmush seine Freude hätte.Um diesen Kern herum gruppieren sich massig Kollborateure, Remixer und Künstler, die das Konzept ins Intermediale ausweiten. Basierend auf Anspielungen, doch nichtsdestoweniger einringlich, stellen Oiseaux-Tempête Fragen nach zentralen politischen und ökonomischen Themen wie zur Situation in Griechenland oder zur conditio humana allgemein.
Nach zwei Alben und einer Remixplatte erscheint nun eine Sammlung an Stücken, die in keines der vorigen Konzepte gepasst hatte oder jüngst als singuläre Arbeiten entstanden sind. Wären sie eitel, so hätten die Sturmvögel auch dies als Album verbraten können, denn ein durchgehendes musikalisches Narrativ ist durchaus gegeben. Die ersten zehn Minuten unter dem Titel “Eclipse & Sirocco” stehen noch ganz im Zeichen des Ambienten – hochtönende alternierende Sinuswellen im Geiste der elektronischen Avantgarde treffen auf meditative Streicher, die an Arvo Pärt, aber auch an jemanden wie Aranos erinnern. Leichtes Vibrieren leitet über in das doomige Downtempo von “Quai de l’Exil”, das in den Twangs von “Black as Midnight on a Moonless Night” seinen Wiedergänger und im krautrockigen “Nec Mergitur” seinen von fuzzigen Wahwahs begleiteten Abgesang findet.
Eingefügt in diesen Rahmen, der den Kern der Band repräsentiert, gibt es zwei Tracks, bei denen weitere Instrumente, Samples und v.a. Vocals hinzukommen, so das vor dem Hintergrund einer Parolen skandierenden Menge über den Kapitalismus und seine Alternativen reflektierende “No Go(l)d No Master” und das herausragende “The Strangest Creature on Earth”: Zu einem fast anheimelnd melodischen Dröhnen, aus dem sich orientalische Klarinetten herauswinden, hält G.W. Sok (ex-The Ex) in den Worten des türkischen Dichters Nâzım Hikmet Ran ganz unverblümt Gericht über die Unzulänglichkeiten der menschlichen Spezies: so feige wie ein in Dunkelheit lauernder Skporpion, so flatterhaft wie ein Sperling, so ängstlich wie der Rachen eines erloschenen Vulkans, so hörig wie ein Schaf, das seiner Herde auf dem Weg ins Schlachthaus folgt – die Lehre aus all diesen Vergleichen ist simpel: Es ist – meistens – unsere eigene Schuld. Nach so einen Song sollte eigentlich erst eimal nichts mehr kommen, höchstens ein verstörend lauter hidden track nach einer Viertelstunde Pause.
Vielleicht ist es gerade die relative heterogenität, das Fehlen eines Album-Feelings im engeren Sinne, das “Unworks and Rarities” so empfehlenswert für Neueinsteiger macht, denn die Sammlung zieht einen guten Querschnitt durch den Kosmos des offenen Quartetts. Und der ist interessant und lohnenswert.
Label: Sub Rosa