Kristin Hayter ist mit ihrem nach Hildegard von Bingen benannten Projekt innerhalb kurzer Zeit relativ erfolgreich geworden: Wurde „All Bitches Die“ ursprünglich im Selbstverlag veröffentlicht, fand das Album ein Jahr später bei Profound Lore eine Heimat und der Nachfolger „Caligula“ hat inzwischen einiges an medialer Resonanz gefunden – sowohl in alternativen Publikationen (Lead Review bei The Quietus) als auch in der Mainstreampresse.
Vielleicht lässt sich ein Teil des Erfolgs mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichungen und dem Sujet ihrer Arbeiten erklären, passt ihre Thematisierung von Gewalt und Missbrauch (u.a. durch einen Musiker aus der Noise-Szene in Providence) gut in die #Me too-Debatte(n) – gleichzeitig sprengt Hayter einen Diskurs, in dem Frauen allzu oft (ausschließlich) Opfer sind, passive Erdulderinnen männlicher Aggression. Denn ihre von Zorn, Rache(phantasien) und religiöser Bildlichkeit durchzogenen Texte situieren sie näher an Künstlerinnen wie Diamanda Galás oder (Film-)Figuren wie Jennifer Hill. So hieß es auch bzgl. von „All Bitches Die“ auf diesen Seiten: „Im Zeitalter von #Me Too ließe sich Hayter sicher eher im Lager derjenigen situieren, die „weibliche Potenz“ fordern. Hayter selbst sagt: ‘The music is about reclaiming power that has been stolen.’”
Nach der Split mit The Rita, auf der sie Scott Walker und Dolly Parton coverte, folgt nun mit „Caligula“ ein Album, das thematisch wie musikalisch an „All Bitches Die“ anknüpft. Diesmal gibt es Gastbeiträge von The Rita, The Body (mit denen sie schon vielfach getourt ist), Full Of Hell und Uniform. Der Opener „Faithful Servant Friend Of Christ“, auf dem traurige Geigen mit Hayters sakralem Gesang verbunden werden, klingt textlich noch ungebrochen. Ein erster Höhepunkt ist „Do Not Doubt Me Traitor“, das mit von Klavier begleitetem Klagegesang beginnt: „If you sleep down in hell / I have chains to bind you“. Perkussion setzt ein und dann (ver-)wandelt sich der Gesang, wird zum markerschütternden Schreien, das in seiner Selbstoffenbarung wirklich beeindruckend ist: „How do I break you before you break me“. Am Ende dann singt sie: „I am the cuntkiller“. „Butcher of the World“ wird von Purcells „Funeral Music for Queen Mary“ durchzogen, Musik, die Kubrick in „A Clockwork Orange“ einsetzte und die auch Current 93s „Killy Kill Killy (A Fire Sermon)“ einleitete. Hayters schreit, brüllt, klagt: „I am the fucking deathdealer / I am the butcher of the world“, bevor das Stück sich ändert und einen getragenen Charakter bekommt und die Forderung fällt: „May there be no kindness“. „May Failure Be Your Noose“ ist eine Klavierballade, in die Dissonanzen einbrechen. „If The Poison Won’t Take You My Dogs Will“ changiert zwischen Noisekaskaden und Klavierpassagen. Das von Orgel eingeleitetete „Day of Tears And Mourning“ ist mit Einsatz von Schlagzeug und Gitarre eine wahre schleppende Doomnummer, während das von einem dezenten Klavier begleitete „Sorrow! Sorrow! Sorrow!“ musikalisch wie textlich (fast) auch in einer der zahllosen Kirchen der USA gesungen werden könnte und durch ein bizarres Lars Ulrich-Sample fast ein Moment des comic reliefs darstellt, etwas, das bei „Spite Alone Holds Me Aloft“ kaum gelingen könnte, klingt der Gesang Hayters doch von einem Moment zum nächsten wie der einer Besessenen. Mit dem Aufruf “Kill Them All“ klingt das Stück aus. Das nicht gerade subtil betitelte „Fucking Deathdealer“ ist ein rein akustisches (Stimme und Psalterium) Stück. Mit „I am the beast“ klingt das Album mit brutaler Wucht und Wut aus und wenn es dort heißt „All I know is / violence“, dann glaubt man das nach diesen knapp 70 Minuten sofort.
Natürlich ist auch Heyter nicht aus dem Nichts enstanden. Vielleicht hat sie in Rhode Island einmal einen Auftritt von Bonedust erlebt, sie selbst hat die einzelnen Stücke des Albums an anderer Stelle detailliert seziert, aber insgesamt ist “Caligula” ein durchgängig beeindruckendes Werk aus “sound and fury”. (MG)
Label: Profound Lore