„I was lying down across the stern, lulled by the gentle swaying of the vessel, inhaling the smoke of the torch and trying to discern the stars in the depths above“ – dieses Zitat aus der Novelle „Die rosafarbenen Strände” des griechischen Autors Alexandros Papadiamandis ist dem dem vorliegenden Album vorangestellt, da es den beteiligten Musikern zufolge das Lebensgefühl hiner ihrem gemeisamen Album wiedergibt. In der Tat scheint es in diesem komprimierten Bild um alles zu gehen: Der Mensch auf der Reise, die sein Leben ist, getragen von einem fragilen Gefährt, umgeben nur von den Tiefen des Meeres und den ebenso unergründlichen Tiefen des Alls. In passiver Kontemplation versucht er seine Situation zu verstehen.
Ko Ishikawa, Nikos Sidirokastritis, Giorgos Varoutas, Harris Lambrakis und Anna Linardou haben über die Tracktitel in Griechisch und Japanisch noch einige Wegweiser in das weite Feld dieses Lebensgefühls zwischen Suche und Imagination plaziert, Titel die von Träumen, von Stürmen und Vögeln, vom Boden der Barke und von endgüligen Eintauchen in die Tiefe künden. Doch nichts drückt die Sinnlichkeit dieser Erfahrung besser aus als die feinsinnige Musik selbst.
„The Depth Above“ beginnt mit einem der elementarsten Geräusche überhaupt, dem Rauschen zwischen Wind und Vocals, das sich – begleitet von hochtönender organischer Dröhnung und wie in einem alchemistischen Prozess – in die Brandung des Meeres verwandelt. Klackende, quietschende, tastende Sounds bringen ganz vorsichtig die feste Materie ein, doch alles bleibt vage und diffus, und das schöne ist, dass man sich nach und nach an die Unbestimmtheit gewöhnt. Linardous Sopran kristallisiert sich aus all dem immer mehr heraus, wirkt der Abstraktion entgegen. Die japanische Sho und die orientalische Nej übernehmen in einigen Stücken die Funktion des Gesangs: Klagend und einlullend wahren sie eine fragile Harmonie zwischen Hecheln und Rascheln in „Thróisma“, in „Skaros“, das nach einem pastoralen Musikgenre aus Griechenland benannt ist, verbinden sie sich mit Linardous Stimme und preschen vor zu einem dramatischen Höhepunkt. Gefahr kündet sich an, stärker noch als in der dramatischen Zusammenballung des imaginären Vogelkonzertes in „Tori“, Verzweiflung macht sich breit, erst die Glöckchen, die in die earth-artigen Gitarren von „Yume“ überleiten, können all dies besänftigen.
Yoru from Giorgos Varoutas on Vimeo.
Auf der zweiten Seite schrumpft das Quintett zum Trio und lässt die fortan instrumental gehaltene Musik trockener und zunächst abstrakter ausfallen. Perkussives Klappern und Schaben, holzige Töne und spannungsvolles Beckenspiel steuern langsam auf den nächsten Höhepunkt zu, der sich im ausladenden „Kajki“ zuspitzt, doch nach dem Höhepunkt ist vor dem Höhepunkt in dieser unbestimmten Reise, an deren Ende das Eintauchen – der Titel des Schlusstracks „Vythisi“ heißt „Eintauchen“ oder „Immersion“ – in eine ganz eigene intensive Welt steht.
Ob mir diese Überlegungen gekommen wären ohne entsprechende Titel und literarische Referenzen ist fraglich – mit ihnen jedenfalls wird eine runde Sache aus dieser Kollaboration hochkarätiger Musiker, die sich im letzten Jahr im Athener Underflow-Space zugetragen hat. (U.S.)
Label: Underflow