Morego Dimmer, der sich wohl in Anlehnung an einen achämenidischen Großkönig Xerxes the Dark nennt, ist ein vielseitiger Repräsentant dunkler Ambientkünste, die je nach Projekt und Tagesform eine atmosphärisch gleitende, eine infernalisch lärmende oder auch eine urig dröhnende Gestalt annehmen können. Inspiration bietet ihm neben den desolaten Seiten und Kehrseiten seiner Heimatstadt Teheran die Innenschau, auch die, die er in fiktionalen Erzählungen findet.
Ein literarisches Werk, das ihn anscheinend seit langem beschäftigt, ist der Kurzroman Die blinde Eule, die sein Landsmann Sadeq Hedayat 1936 veröffentlichte – ein oft als surreal bezeichneter Monolog eines gealterten Malers, der seinem Schatten, der in seinen Augen die Umrisse einer Eule hat, in einer Art Beichte Stationen seines Lebens erzählt. Dimmer gründete im letzten Jahrzehnt ein nach diesem Buch benanntes Duo, vor einigen Monaten erschien ein im Alleingang aufgenommener Soundtrack, mit der er die Stimmung des Textes im eigenen Medium umsetzt.
“Soundtrack to the Blind Owl” ist ein ebenso opulentes wie desolaten Album geworden, dass mit Gitarren, gestrichenen Saiten, diverser Elektronik und einigem mehr einen tonnenschweren Doomsound für seine Idee fruchtbar macht (vorausgesetzt, ein Begriff wie “fruschtbar” ist für ein derart tiefschwarzes Werk zulässig). Dumpfes Grollen aus den Tiefen eines undurchsichtigen Raumes und an Axthiebe erinnernde Takte eröffnen das Album wie ein düsteres Spiel. Immer wieder gerät das nach und nach immer verzerrtere Soundmaterial ins Stocken, als ginge es darum, auch nur den leisesten Anflug von Dynamik und Leichtigkeit zu unterbinden. Hell dröhnendes Feedback durchzuckt die Szenerie. Eine schwer zu kategorisierende Stimmung zwischen Resignation und Behauptungswillen drückt sich aus.
Der Opener trägt den Titel “Misanthropic Mind Within Nightmares”, der vielleicht dem Text entnommen ist – atmosphärisch hätte er auch zu allen weiteren Tracks gepasst, denn die desolate, abgeklärte Stimmung zieht sich durch das ganze Album. Das schließt Abwechslungsreichtum aber keineswegs aus. Heftiger, zerkratzter und durchzogen von noch mehr Feedback und dem Echo entmenschlichter Schreie offenbart sich “The Woman”. In “Opium & The Bend Old Man” wähnt man sich beinahe im Auftakt zu einem Black Metal-Album. Röhrendes, hochfrequentes Feedback zermahlt die Ohren, und nach mehreren langsamen Veränderungen des ständig in Bewegung gehaltenen Stücks macht sich eine elektrifizierte, aufgewühlte Hypnotik breit, die man eher nicht mit Opium assoziieren würde.
Auch hier wieder ein merkwürdiger Stoizismus, das Gefühl, ein ganzes Inferno gelassen und mit einem für viele vielleicht an Apathie grenzenden Gleichmut über sich ergehen zu lassen. Dieser meditative Zug, den man erst mit der Zeit und wahrscheinlich am ehesten mit an raueren Klängen geschulten Hörgewohnheiten wahrzunehmen vermag, ist m.E. ein wesentlicher Subtext des Albums und zieht sich durch das von mysteriösem Hantieren durchzogene Motorenrattern von “Bed of Dead”, durch die anfangs zögerliche Höllenfahrt von “Horrible Abbys” über bis zum überraschend melodischen letzten Aufbäumen vor den abrupten Schluss von “The Shadow Of The Void”.
Label: Zāl Records