Wie klingt eine Musik, die sich beim “Kulturgut” einer anderen Ära bedient und dabei einen großen Respekt vor dem verwendeten Material und der entsprechenden Tradition zum Ausdruck bringt? Alle, die auf einer Pinnwand aufgespießte Schmetterlinge für den Gipfel der Naturverbundenheit halten, denken jetzt wahrscheinlich an “originalgetreue” Interpretationen alter Songs, nur klanglich aufgehübscht durch die technischen Möglichkeiten unserer Zeit. RG Rough, Gitarrist auf psychedelisch-krautigen und noisig-experimentellen Abwegen, ist zum Glück ein weit weniger musealer Geist und hat sich zahlreichen Bluesklassikern der dreißiger, vierziger und fünfziger Jahre auf die freundlich-parasitäre Art genähert, die für echte Fans Programm sein sollte.
Bei fast allem, was in dem Genre Rang und Namen hat – Blind Blake, Scrapper Blackwell, Son House, Robert Johnson, Bukka White, Blind Boy Fuller, Tampa Red, Kokomo Arnold, Josh White, Muddy Waters, John Lee Hooker, Big Bill Broonzy, Sonny Terry, Brownie McGhee, Lightnin’ Hopkins, Howlin’ Wolf – wurden zum Teil sehr kurze Auszüge gesamplet, geloopt und verschiedentlich in Tempo und Soundbeschaffenheit bearbeitet und zu drei mittellangen Kollagen mit ganz eigenen atmosphärischen Narrativen montiert, bei denen doch das Lebensgefühl und der Esprit der Originale immer wieder durchdringt.
Manch einer, der diese Musik als Hintergrundbeschallung vernimmt, mag sich fragen, was die hypnotische Dröhnung, die sich durch Roughs episodische Soundscapes zieht, oder die asiatisch anmutende Melodie in einer der späteren Passagen mit Blues zu tun hat. Fraglos wäre es selbst dann eine Kounst für sich, aus dem betreffenden Ausgangsmaterial eine derart andersartige Musik zu erschaffen. Doch ohne dass man zwangsläufig ein Original erkennen müsste, wird man bei längerem Hinhören die lässige Melancholie, die fingerschnippende Schwermut gewahr, die keiner Musik so zueigen ist wie dem Blues – sie offenbart sich primär in den cool durch die Szenerie tigernden Takten, die durch rituelle Repetition und durch diverse Spielereien mit Tempo und Lautstärke (laut-leise, links-rechts) immer noch etwas mehr betont werden.
Im weiteren Verlauf steigert sich die düstere Stimmung noch einmal um mehrere Grade, grummelnde, obertonreiche Ambientsounds steigern sich zu no-waviger Schwere und werden von elektrifiziertem rhythmischen Geklapper in ein kreisendes Gitarrendrone überführt – einmal mehr beschleicht einen das Gefühl, dass all dies tatsächlich im Original latent vorhanden ist, irgendwo zwischen den Ritzen der Klischees, die man heute mit Blues assoziiert. Rough hat all dies auf den Präsentierteller seines Albums geholt und dabei eine ganz eigene Art des blues geschaffen. (A.Kaudaht)