Sedna Chronicles ist das Projekt von zwei Personen, die in den letzten Jahr(zent)en mit ihrer Musik und ihren Texten eine Art alternativer Geschichte der britischen Inseln geschrieben haben: Grey Malkin hat sich mit und als z.B. The Hare and The Moon, Widow’s Weeds oder Meadowsilver eines Folkidioms bedient ohne dabei je auf abgegriffene Topoi zurückzugreifen, Andy Sharp hat unter dem Namen English Heretic Visuals/Text und Musik kombiniert. Die 2020 bei Repeater erschienene Sammlung seiner Texte trägt passenderweise den Untertitel „Ritual Histories Magickal Geography“, was so in etwa den Rahmen absteckt, in dem sich seine Untersuchungen verorten lassen.
Mark Valentine schreibt im Nachwort zu seiner Kurzgeschichtensammlung „The Fig Garden and Other Stories“, dass zwei der längeren darin enthaltenen Geschichten inspiriert worden seien, von der Idee, „that certain places may have in fleeting moments a heightened, numinous atmosphere.“ In der Titelgeschichte „The Fig Garden“ sagt eine Figur zu dem Protagonisten: „sometimes it [another world] seems to overlap with us, with our world. […] [T]hose places where the veil is thin between this world that ought to be preserved.“ Letztlich ist das nicht die schlechteste Beschreibung des Konzepts der „Sedna Chronicles“, einem Projekt, das selbst verortet wird als „an aural document of various journeys taken together by both artists over the course of 2019 to the present day, to locations within Scotland that lean towards the occult, the unusual or the eerie.“
Das kurze das Album einletende „Obscurus“ setzt mit seltsamen Synthdrones ein, dazu kommt eine Geige, die einen Moment von Melancholie hinzufügt. „Song To The Cliodna“ kombiniert rituellen Gesang mit getragenen Synthflächen. „The Last Drop“ ist dagegen rhythmischer, Worte werden geflüstert, dazu kommen dann seltsame Synthdrones, die dem Stücke etwas Außer- und Andersweltliches verleihen. „Children Of The Cove“ thematisiert einen Gang in eine „subterranean chapel“, eine „church submerged“. Bei der Betrachtung des Altarsteins stellt sich der Sprecher die Frage “Who or what is this made for?”. Nach einigen Minuten wird aus dem ambienten Stück ein wuchtiger rhythmischer Track. „Friends of the Emerald Sun“ erinnert musikalisch etwas an Coil ca. „Restitution Of Decayed Intelligence“. Auf „The Nunavut Letter“ wird aus dem Brief vorgelesen den Lt. John Irving an seine Schwägerin anlässlich der Expedition der HMS Terror in die Arktis schrieb. „Theme From the Murdered Apprentice“ kombiniert flächige Sounds, sakralen Gesängen und Pianopassagen.
Diese “Chroniken” sind liminale Musik, die in Passagen im besten Wortsinn durchaus „unheimlich“ klingt. (MG)