Im Werk des ursprünglich aus Kyoto stammenden und heute in einem Ort in der Präfektur Hiroshima lebenden Komponisten und Klangkünstlers Daisuke Fujita, besser bekannt als Meitei, dreht sich alles um das Verblassen einer traditionellen japanischen Populärkultur und der für diese typischen menschlichen Befindlichkeiten. Wie sehr dieses Thema für ihn zu einer immer drängenderen Herzensangelegenheit wurde, lässt sich erahnen, wenn man bedenkt, dass seine ersten Alben “Kwaidan”, “Komachi” und “Kofū” zunächst als Trilogie gedacht waren, woraufhin sich letzteres dann jedoch als Auftakt zu einer weiteren Trilogie entpuppen sollte, die nun mit “Kofū III” zum Abschluss kommt.
In seinen Kompositionen bindet Meitei zahlreiche (nicht nur) musikalische Motive der japanischen Populärkultur, zu denen Mitschnitte bekannter Sängerinnen, Sänger und Musiker vergangener Dekaden gehören und die größtenteils im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts ihren Niedergang erleben mussten, quasi zitathaft in einen ambienten Rahmen, der mit der Zeit immer mehr zu einem Trägermedium der transportierten Stoffe wird, ohne als Marker der Jetztzeit völlig hinter seiner traditionellen Fracht zu verschwinden. Dabei erweist sich der Komponist durchgehend als Meister der Verfremdung. “Die vergilbte Nostalgie” hieß es hier über den ersten Teil, “die sich in der angenehm verrauschten Musik durchaus findet, ist [...] eine gebrochene, und die Wehmut, die ohnehin nur in manchen Stücken das Bild dominiert, wird konterkariert durch eine spielerische Schrägkeit, die sich sowohl in einer bewussten Überzeichnung, als auch in dem nie greifbaren Charakter der Musik findet, die ihr Publikum immer wieder durch abrupte Brüche, durch ungewöhnliche Überblendungen, durch ein bewusstes Spiel mit Kaputtem und durch spontanes Drehen am Tempo an den Nasen herumführt”.
Die vergilbten Sepiatöne seiner hauntologischen Pastichen bergen noch andere Arten von Ambiguität, denn die Frage, ob Meitei die im Verblassen und Verschwinden begriffene Kultur und Lebensrealität primär betrauert, oder ihrem Verschwinden durch einen neuen musikalischen Kontext zumindest tendenziell Einhalt gebietet, kann, je nach persönlichem Purismus des Betrachters, ganz unterschiedlich beantwortet werden. Ganz leblos jedenfalls kommt “Kofū III” nicht daher, denn die nostalgisch eiernden und stellenweise wie Sängerinnen klingenden Streicher, die im eröffnenden “Reimei” mit schrägeren, elektronischen Sounds in den Dialog treten, ohne dabei an eine Verschmelzung zu denken, ziehen einen unweigerlich in diesen von subtilen Disharmonien geprägten Kosmos, in dem schwache Lichter flackern, denen man kein allzu langes Leuchten mehr zutraut.
Auf gewisse Weise funktionieren die Stücke auf dem Album wie ein radikaler Zoom auf die dargestellten Szenarien und Stimmungen und lassen diese sehr deutliche Konturen annehmen. “Mange-kyo”, sein prasselnder Regen, seine zunächst hektischen, dann wehklagenden Stimmen, die geloopten Instrumentalparts und das wehmütige und unterschwellig unruhige Klavier erzählen eine aufwühlende Geschichte. “Fujin” und “Wa-rosuko” mit ihren kristallklaren Pianoparts verbreiten eine unter Patina verborgene Wehmut, die sich mit Slapstick verträgt und an Revues der 20er erinnert. Das von dem Autor Soseki Natsume inspirierte “Yume-juya” dagegen verbreitet eine schwer greifbare Stummfilmatmosphäre mit traditioneller Instrumentierung.
Ein Höhepunkt des Albums ist das nach Edogawa Rampo, einem Autor fantastischer Literatur, der seinen Künstlernamen auch als Verballhornung des Namens von Edgar Allan Poe betrachtete, benannte Stück, dessen bizarres Brummen und Hupen einen Gegenpart zu den klassischer instrumentierten Kollagen bildet und sich von einem stockenden Auftakt zu etwas Furiosem steigert. “Shisei”, das laut Liner Notes auf eine Liebesgeschichte referiert, in denen in Japan traditionell sehr kontrovers wahrgenommene Tattoos die Symbolik prägen, lenkt zurück in besinnlich wirkende Gefilde – eine Stimmungstendenz, die für den Rest des Albums beibehalten wird. Der Schlussteil gehört ganz dem Andenken der Stadt Hiroshima und seiner bewegten Geschichte. V.a. der schon vor ein paar Monaten, pünklich zum Jahrestag des verheerenden Atombombenabwurfs veröffentlichte Song “Heiwa” (dt. Friede) setzt “feinsinnig komponierten, leicht verrauschten und vom Tempo bewusst offen gestalteten Klangszenarios [der] Widerstandsfähigkeit der betroffenen Menschen und [den) unausgesprochenen Emotionen, die die Ereignisse begleiteten und bis heute ihre Nachwirkungen entfalten” ein berührendes Denkmal.
Die oben genannte Frage, ob die verblassende japanische Kultur hier eher betrauert oder auch ein wenig bewahrt wird, ist tatsächlich nicht eindeutig zu beantworten. Vielleicht lassen die Kompositionen, die definitiv keine Dekompositionen sind, sich am ehesten als Momentaufnahmen verstehen, die neben der Kultur im Zustand ihres Verblassens wiederbelebt und damit ein interessantes Paradox entstehen lässt – und vielleicht auch die Frage beantworten, welchen Einfluss Bewahrungsversuche auf traditionelle Objekte haben können. In Meiteis Versuchen, in diesem Feld aktiv zu sein, steckt eine berührende Dramatik, die eines in jedem Fall ist: lebendig. (U.S.)
Label: Kitchen.Label