Letztes Jahr erschien das bisher unveröffentlichte Album Nový Světs “Desde Infiernos De Flores”, wurde nach vielen Jahren dem Limbus glücklicherweise entrissen. Das war ein Album der Zurückhaltung und Reduktion. Zwar wurden Nový Svět in ihrer Anfangsphase aufgrund ihres Labels primär in der (Post-)Industrial- und Neofolkszene rezipiert, aber das war von Anfang an nur sehr bedingt passend, zu sehr sprengte die Musik, vielleicht sollte man sogar eher von Musiken sprechen, von Jürgen Weber und Frl. Tost (Genre-)Grenzen – musikalisch wie thematisch. Man braucht nur einen Blick auf die umfangreiche Diskografie zu werfen, auch auf die kleinen Veröffentlichungen abseits der Alben. Darüber hinaus erschienen über all die Jahre Neben- und Seitenrojekte, teils unter Pseudonym, die Legion sind.
Nun ist unter dem Namen Jota Solo mit „Nessuno“ so etwas wie das erste Soloalbum Webers, zumindest dem Namen nach, erschienen. Versucht man für “Nessuno“ Referenzen zu finden, so wird sehr schnell deutlich, dass das Album von Reduktion, von scheinbarer Zurückhaltung – gerade, was den Gesang anbelangt – geprägt ist.
Das Titelstück gibt die Richtung zumindest partiell vor: seltsame Geräuschen, die wie elektronische Zikaden klingen, ein zerhäckseltes Sprachsample, Sprechgesang, dann flüsternd, nur untermalt von leicht dissonanten, leiernden Momenten. „Giorni 1“ knüpft daran an: eine Frauenstimme, tastende, vereinzelte, leicht melancholische elektronische Geräusche, die so klingen, wie ein Specht in einer Kristallhöhle. „Nientenienteniente” ist mit vereinzelten Stimmsamples und elektronischem Vogelzwitschern fragmentiert. Auf „Canzone della vita“ hört man Weber anfangs kurzzeitig a capllela singen, dann lacht er, bricht ab, fast so, als wolle er spielerisch eine Metareflexion vornehmen. Dann singt er mit dunkler Stimme zu flächigen elektronischen Sounds „solo monotonia“. Raffaele Cerroni hat dazu ein Schwarzweiß-Video mit Passagen aus „The Last Man on Earth“ mit Vincent Price zusammengestellt. Der auf Richard Mathesons Roman „I Am Legend“ basierende Stoff wurde später noch zweimal verfilmt. Die hier zu sehende fast entvölkerte Erde bietet vielleicht angemessene Bilder für diese Musik, die auch irgendwo aus einer nebulösen Zwischenwelt zu kommen scheint, in der immer mal wieder jemand an einem alten Radio dreht, um einen Sender zu finden.
Auf „Freddo 1“ wird Webers dunkle Stimme mit in der Ferne (ver-)hallenden Sounds unterlegt. „6 il 6“ wird von Radiorauschen eingeleitet, als suche jemand einen Sender, man hört Vogelgezwitscher, Glockengeläut, Husten. Auf dem instrumentalen „il mare“ finden sich Aufnahmen von Meeresrauschen, die melancholische Ballade „sacrifiZio vittime“ ist im Kontext des Albums fast schon ein konventioneller Song. Das verspielte “giorni 2″ beendet das Album.
Man könnte, um einen etwas zu trendigen Begriff leicht abgewandelt zu verwenden, sagen, dass diese Musik, diese insgesamt elf Stücke, sowohl haunting als auch haunted zu sein scheint. “Nessuno” ist letztlich trotz aller Fragmentierung ein (im doppelten Wortsinne) unheimlich kohärentes Werk, das in einem ganz eigenen Kosmos existiert, wenn ihn nicht gar konstituiert. Trotz aller Referenzen und Verweise klingt “niemand” so. (MG)
Label: Quindi Records / The Nekofutschata Musick Cabaret