Es gibt eine bestimmte Stimmung, ein typisches Lebensgefühl in der Musik von Teresa Riemann, das sich intensiv spüren und doch nur unzureichend beschreiben lässt. Ist es eine furiose Art, sich zu verlieren und dies mit stoischer Akzeptanz zu tragen und im Extremfall sogar zu feiern, ohne aber viel Wirbel darum zu machen? Vielleicht, und immer ist es in etwas Dunkles, Uriges gebettet, in eine mit nur gelegentlichen Lichtstrahlen aufgehellten Welt aus Holz und rostigem Metall. Auch auf dem jüngsten Tape der Berliner Drummerin, Vokalistin und Multiinstrumentalisten, die in manchen Performances Schlagzeug und Klavier simultan traktiert, findet sich dieses Gefühl wieder.
Von rumorendem Hall umhülltes Hantieren, in dem sich schnell perkussive Takte abzeichnen, kommt näher und steiget sich schnell zum mitreißenden Getrommel, und auch wenn man sich abrupt in die Szene geworfen fühlt, wirkt die Musik von Beginn an wie der Auszug von etwas, das schon die ganze Zeit existierte, und das bloß für die Länge eines Albums kurz herangezoomt wurde. Und vielleicht ist es wieder der Eindruck des Stoischen in der fast summenden Stimmarbeit, in der sich nicht sicher eine Sprache erkennen lässt, das man sich von dieser Musik zugleich mitreißen lässt und doch in Ruhe gelassen fühlt – eine der zahlreichen Ambiguitäten in Riemanns Musik, eine weitere ist die wie eine Überblendung wirkende Gleichzeitigkeit von Spontaneität und Stimmigkeit, über die ich schon im Zusammenhang mit dem vor anderthalb Jahren erschienenen Vorgänger “Trébuchement persistant“ geschrieben habe. In all dem sollte man “Caracoler Dans Les Abattoirs” als Gesamtpaket verstehen. Höhepunkte gibt es aber durchaus, so das atmosphärisch beklemmende “Von der Angst, Zeit zu Verlieren”, dessen zischelndes Beckenspiel und die elektrifizierten Saiten den Hintergrund bilden für ein Gedankenkarusell über das Todessymbol einer Spinne, die in jedem Daseinswinkel des lyrischen Ichs hockt und lauert und seine klebrigen Fäden spinnt. Das Endzeitliche des lähmenden Bildes, das im Laufe des Textes noch ins Gesellschaftliche ausgeweitet wird, steigert sich mit der Zeit zu einem rasenden, rumpelnden Freakout und illustriert den befreienden Gewaltakt, der auch im Text anklingt.
“Can’t Stop Waiting’, das dem Titel entsprechend eine repetitive Struktur anklingen lässt, beginnt mit einem rumpelnden, handdrumartigen Auftakt, ein manchmal abgehackter Gesang, der von Zeit zu Zeit in Summen und Stöhnen zu kippen droht, lässt immer wieder einen eruptiven Ausbruch erwarten, doch stets glätten sich die Wogen in trügerischer Friedfertigkeit. “When Will The Good Times Come Back?” scheint, den guten Zeiten gleich, in eine gewisse Ferne gerückt, ein dröhnender Wind trägt die verhallte Stimme und die verrauschten Drums wie einen melierten Widerhall des eigentlichen, längst verblassten Songs zum Ohr und lässt dabei sogar die Fata Morgana von etwas Liturgischem entstehen. Typischerer “psychotic Noisepunk” ist dagegen wieder “Save our Souls”, bei der Teresas Stimme zu zischend rollenden Drums kraftvolle Kleckse und Striche auf die imaginäre Leinwand wirft und dabei doch, in den höhertönenden Momenten, außer Atem und am Rande des Weinens wirkt.
“Nage avec moi dans ma langue mutilée”, mit dem das Album schließt, fällt nicht wegen des französischen Gesangs, sondern wegen des pulsierend hüpfenden Taktes und der vordergründig fast poppigen Aura aus der Reihe, vorausgesetzt man überhört die auch hier deutliche Atemlosigkeit, die den Song wieder an den Rest des Settings bindet. Trotzdem schafft der Unterschied den Eindruck eines offenen Schlusses und lässt “Carocaler Dans Les Abattoirs” einmal mehr wie ein opera aperta erscheinen, bevor die Musik wieder in ihre ganz eigene Welt zurückgezoomt wird.
Das Album erscheint neben dem obligatorischen Download in einer sehr schönen gestalteten Tape-Edition mit einem Booklet, das die ganzen oft nicht gerade kurzen Texte enthält. Diese übrigens in einer Schriftgröße, die eine gute Lupe notwendig macht, aber diese kleinen pragmatischen Wermutstropfen sollten der ästhetischen Brillianz des Albums nicht viel anhaben können. (U.S.)
Label: Gaffer Records