ELKKS: Dawn Heart Dawn

Als ginge es nur darum, mit der Tür ins Haus zu fallen, startet “Realtree Fleece”, der Opener von Elkks’ Solodebüt “Dawn Heart Dawn”, mit perkusiven Donnerschlägen. Hat man diesen Türbereich durchquert und ist im Inneren des Gebäudes angelangt, entfaltet sich schnell ein ganz anderes Szenario – elektrifiziertes Gitarrenstrumming bildet den Teppich für eine auf den ersten Eindruck erschöpft wirkenden Stimme, die zumindest dem Anschein nach einer natürlichen Tendenz zur Monotonie eine wunderbare Melodie abringt. In den schönen Momenten, die gerade aus diesem Eindruck hehraus entstehen, findet auch der heftige Auftakt immer wieder in der einen oder anderen Form seinen Wiedergänger. Dies u.a. auch in dem mysteriösen Text, in dem sich irgendwo an einer Straße, die durch einen nächtlichen Wald führt, ein Unfall ereignet. Ich erwähne das, weil dieses Motiv und ähnliche uns noch öfter begegnen werden.

Bei Elkks handelt es sich um ein relativ neues Projekt des in Hamburg ansässigen Musikers und Filmemachers Erik Hamann. Die geheimnisvollen Klänge und Stimmungen, die er auf “Dawn Heart Dawn” entfaltet, folgen einer roh anmutenden Lofi-Attitüde und lassen im Verlauf eine ganze Reihe an stilistischen und genrebezogenen Referenzen vorbeiziehen, um sie dann gleich im Handumdrehen wieder zu brechen und zu verwandeln.

Schreibe ich von Genrereferenzen, so sind damit ohnehin an fast keiner Stelle eindeuting wiedererkennbare Stilentscheidungen in lupenreiner Formtreue gemeint, sondern Anklänge wie die eines abgedunkelten, von Americana-Reminiszenzen durchdrungenen Lofi-Folk, der in Stücken wie “drowning:fingernail” immer wieder Erinnerungen an Acts wie Boduf Songs aufkommen lässt. Hier erschaffen geheimnisvolles Knistern, ein dicht am Ohr wie durch einen Telefon erklingendes Flüstern, ein hoher Klang wie von einer singenden Säge und nicht zuletzt eine Gitarre, die sich nicht zwischen Strumming und Picking festlegen will, für eine morbide Stimmung. In vielen der Songs finden sich solche Tableaus als Ausgangsszenarien, von denen aus die Musik in die unterschiedlichsten Richtungen ausschweift. Im folgenden “good talk” kristallisiert sich aus dem flinkem Picking, das den Hintergrund abgibt für die gesprochene Skizze einer Liebesgeschichte, die in einem Carcrash endet, ein treibender Uptempo-Rhythmus (die Geschichte wird weiter hinten in dem Stück “back seat front seat back seat front seat” aufgegriffen, in welchem eine entfesselte, an die wilden Jagden des Black Metal erinnernde Klanglandschaft das Thema der Raserei auf der nächtlichen Landstraße auch klanglich und rhythmisch nachzeichnet). In “TrailCam112931″, erwächst aus einem melancholisch-erschöpften Kopfhängerszenario – über die Brücke eines Sounds, der an eine kratzige elektrische Gitarre erinnert – eine tanzbare Synthienummer.

Elkks liebt es – trotz der abgründig-morbiden Thematik, in der auch so etwas wie ein Psychodrama versteckt scheint – mit musikalischen Möglichkeiten zu spielen und wechselt mit Vorliebe musikalische Szenen, switcht mal in a capella-Tableaus mit vervielfältigten weiblichen Stimmen (“wildfire”), badet in schleppend-verrauschtem Downtempo-Noiserock (“shaking mountain, liquid on the inside”), lässt in einer psychedelischen Landschaft aus Gitarren und Orgeln hölzerne Handdrums erklingen (“orange vest / birch grove burning”) oder in einem kindlichen Lofi-Szenario, in dem man meint, Ukulele und Balalaika zu hören, Gloria de Oliveira ans Mikro treten und einen wunderbaren Song aus der populärkulturellen Traditionskiste singen, der sich trotz eigener, vielleicht hellerer Akzente in den dunklen Kosmos einfügt (“it matches mine”).

Es gibt einige solcher Songhöhepunkte auf beiden Seiten der Platte, für mich wären es das mit seinen Gothicgitarren und dem genuschelten Text über eine Beerdigungsmusik düstere “it might be hell”, in dessen Setting, das einen Friedhof mit einer entlegenen Blockhütte zu überblenden scheint, plötzlich Skinny Puppy (oder erneut eine diesmal etwas elektrifiziertere BM-Band) für einige Momente einen imaginären Gastauftritt haben. Zum anderen “times are over, are over, are over…” das m.E. mit seinen zweieinhalb Minuten das ganze Album rechtfertigen würde. Ohne jede Exaltation und gedrückt von der Schwerkraft der Monotonie entfaltet sich der Gesang mit einer wunderbaren Melodie über ein mystisch-repetitives Gitarrenpicking und greift von allerlei weiteren, meist dröhnenden Geräuschen begleitet das Bild mit dem nächtlichen Frontalaufprall deutlicher und eindringlicher auf als alle vorherigen Momente des Albums – so wie ein experimenteller, unlinearer Filmplot das schon mehrfach umkreiste zentrale Ereignis irgendwann schonungslos enthüllt.

Im finalen Titelsong, der einem langsamen postrockuntermalten Abspann ähnelt, ziehen viele der deutlicher oder weniger deutlich an die Wand geworfenen Bilder noch einmal am imaginären Auge vorbei, bis das krächzende Krähen das letzte, wahrscheinlich unheivolle Wort haben. (U.S.)

Label: La Double Vie