NOVÝ SVĚT: DeGenerazione

Wir haben schon oft auf diesen Seiten angesprochen, welch reiches Füllhorn verschiedenster Musiken das aus Jürgen Weber und Frl. Tost bestehende (und am 5.5.22 wohl endgültig aufgelöste) Duo über dem Hörer ausschüttet(e). Nový Svět bedienten sich all die Jahre an so vielen Genres, dass man wohl eher fragen müsste, was bisher noch nicht von ihnen berührt wurde.

Die Entstehungsgeschichte von „DeGenerazione “ ist eine für das Duo so typsiche: Das Album wurde ursprünglich sofort nach „Desde Infiernos De Flores“ aufgenommen, sollte der letzte Teil der mit “Fin Finito Infinito” begonnenen, so genannten “Spanish trilogy” werden. Als die beiden von Spanien zurück nach Wien zogen, wurden die Aufnahmen aber als “too spanish” verworfen und archiviert. Stattdessen erschien dann damals mit „Todas Las Últimas Cosas” 2008 das wahrscheinlich elektronischste Album der Band. Erst vor einiger Zeit machte Weber  auf seinem Soundcloudaccount das Album verfügbar, das jetzt von Quindi Records, die vor einigen Monaten Webers großartiges Soloalbum “Nessuno” veröffentlicht haben, auf auf 150 Exemplare limitiertes Vinyl gepresst worden ist.

Dass “Desde Infiernos De Flores” ebenfalls erst viele Jahre nach der Fertigstellung endlich veröffentlicht werden sollte, ist eine andere Geschichte. Letzt genanntes Album und “DeGenerazione”  sind durchaus unterschiedlich, was sie aber beide auszeichnet, ist die Reduktion, die Kürze der Stücke, die partiell durchaus etwas Fragmentarisches haben (können): „Tibidabo“ beginnt so, als schalte jemand ein Tape zum Aufnehmen ein, man mag das als Authentizitätsmarker lesen oder aber als bewusstes Reflektieren über den eigenen Aufnahmeprozess. Man hört ein paar Töne auf dem Glockenspiel (?), Weber flüstert die Worte lediglich – und dann geht das Stück im Rauschen unter. Auch„Raja“ ist minimal und reduziert: Etwas Gitarre, auch hier ist die Stimme ein Sprechflüstern und verkündet: „la paranoia del momento es la verdad del futuro“. „Ciudacanta“ ist mit dem Strumming der Akustikgitarre ein echter Ohrwurm, der vielleicht auch nicht schlecht auf die Zusammenstellung „The Flies In Dreams And Reality“ oder auf das 2011 erschienene englischsprachige Album „Into Your Skies“ gepasst hätte. „Suenos, Anos, Despues“ kombiniert das Geräusch von fließendem Wasser mit dissonanten Momenten und schleppender Perkussion, auf dem instrumentalen „Alarma“ erklingen Geräusche wie von einem Specht und Metallrohre scheinen über den Boden zu rollen. Ein Gegenpol dazu ist „Rexistencia“, ein weiterer schmissiger Song auf der Akustikgitarre. Am Ende singt Weber „rexistencia no es possible no no no“ und lacht dämonisch. Vielleicht ist ein Titel wie „Solo Un Sueno“  programmatisch zu lesen. Musikalisch hört man hier etwas Bass und schleppendes Schlagzeug: Das ist Nový Svět als Jazzcombo. „Torbellinos“ beginnt mit Backwardmasking, Knistern, man hört Geräusche wie von Kinderspielzeug. Ich erinnere mich noch, wie Jürgen Weber einmal in einem vor sehr vielen Jahren mit ihm gemachten Interview zu uns meinte, dass bei “En posesion de te” vom „Chappaqua“-Album der irrititierende Sound, der das Stück durchzieht, “das wichtigste [ist]. Er ist das Lied.”

Auf insgesamt 15 zwischen einer und knapp fünf Minuten langen Stücken zeigt das Duo erneut seine Sicht auf die Welt und vielleicht zeigen diese Miniaturen, dass Musik, Leben, Existieren nur fragmentarisch gedacht werden kann und darf. (MG)

Label: Quindi Records