Martin Gore, immerhin seit Jahrzehnten Hauptsongschreiber einer der erfolgreichsten Popbands überhaupt, hat auf eine sehr sympathische und unspektakuläre Weise über all die Jahre immer mal wieder sporadisch Arbeiten abseits von Depeche Mode veröffentlicht. 1989 debütierte er mit der „Counterfeit EP“, auf der er u.a. Stücke der Sparks und von Tuxedomoon coverte, ein Vollzeitnachfolger erschien erst 14 Jahre später (dort wurde u.a. Nick Cave und Hank Williams Tribut gezollt) und es gab eine kurze Tour anlässlich der Veröffentlichung. Mit Vince Clarke nahm er unter dem Projektnamen VCMG ein Technoalbum auf, das 2012 veröffentlicht wurde, schließlich folgte 2015 schlicht unter seinen Initialien das selbstbetitelte Album „MG“ mit atmosphärischen Synth-Vignetten, auf dem Gore, der wahrscheinlich eine der größten Sammlungen von Eurorackmodulen hat, seine Liebe zu modularen Synthesizern auslebte.
„The Third Chimpanzee“ ist eine EP mit fünf Tracks, die sich thematisch-konzeptionell mit nahen Verwandten des Homo Sapiens beschäftigt. Das Cover stammt von einem Kapuzineraffen mit dem Namen Pockets Warhol, der Titel der EP verweist auf Jared Diamonds Buch gleichen Namens, in dem der Autor die (enge) Verwandtschaft zwischen Affen und Menschen untersuchte. Zur Genese des Minialbums meint Gore dann auch: „Howler was the first track I recorded for The Third Chimpanzee EP, […] I resynthesized some vocals that almost sounded human, but not quite. That’s why I decided to name the track after a monkey. I thought that would be a good theme to carry on with the rest of the tracks.”
Das die EP eröffnende „Howler“ wird durchzogen von einer Stimme, die sich tatsächlich animalisch anhört, dazu gibt es karge, verzerrte Beats, erst nach drei Minuten kommen melodische Passagen dazu. Im dazugehörigen Video wird der Gedanke der engen Beziehung zwischen Mensch und Affe umgesetzt. Gore sagt: „On first hearing ‘Howler’ there was a feeling of being inside a monkey’s brain, its consciousness. It was brutal and primitive but, at the same time, so smart and almost human. The video is an attempt to reflect that, portraying the precise moment when apes evolved into a man or maybe a human regressed into an animal form.” „Mandrill“ ist mit den schweren Beats etwas harscher. „Capuchin“ wird ebenfalls von schleppender Rhythmik durchzogen, es gibt leicht dissonante Momente, die an eine E-Gitarre erinnern, Melodietupfer und Synthflächen. „Vervet“ ist mit achteinhalb Minuten der längste Track dieser EP mit seltsamer Rhythmik und im Hintergrund schwirrenden Tönen . Das kurze „Howler’s End“ ist anders als die vorangegangen Tracks, verzichtet völlig auf Beats, sondern ist eine melodische, aus lediglich ein paar Tönen bestehende analoge Fläche, die das Album leicht melancholisch ausklingen lässt. Insgesamt ist das – um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen – keine spektakuläre Veröffentlichung, diese EP zeigt aber jemanden, der fünf stimmige und stimmungsvolle Tracks komponiert hat, die auch unabhängig vom Konzept überzeugen. Beim Livestream des Albums am 28.01. schrieb Gore auf Facebook: “I feel like whenever a writer tries to talk the audience through the artistic thought process it never goes well. Maybe these things are best left unexplained.” (MG)
Label: Mute