AKSU / IL SANTO BEVITORE / THE SEER: Stone

Auf dem Tape “Stones” – eine Splitveröffentlichung, bei der auf einer der Seiten zudem eine Kollaboration vorliegt – kommen drei recht unterschiedliche Projekte zusammen, deren Gemeinsamkeit hier allenfalls in einem mystisch-esoterischen Ansatz liegt. Die musikalische Bandbreite reicht von einer schleppenden, den Geist des Drone und Doom verströmenden Soundlandschaft mit Drums und knarrenden Saiten bis hin zu rituellen Hörspielszenarien von beschwörender Intensität.

Die erste Saite wird von dem belgischen Duo Aksu gefüllt, das vor zehn Jahren mit dem Longplayer “The Way To Destroy And Create Things” erstmals international von sich reden machte. Was in ihrem Beitrag “Erg Namib” mit rauem gitarrigen Röhren beginnt, entpuppt sich schnell detailreiches klangliches Amalgam, in das sich verschiedene Details harmonisch einfügen. Ihr Mysterium wahren sie aber durchaus: Kleine Soundfragmente, die zwischen der Dröhnung wie rückwärts abgespielt klingen, verweigern ihre Erkennbarkeit, das gleiche gilt für den Inhalt der düsteren Rezitationen, die mit der Zeit grummeliger werden und an Mönchsgesänge erinnern. Zischelnde Becken und andere Spannungsmacher klingen fast, als könnte jeden Moment der versteckte Metaltrack losbrechen, doch das ist nur eine von vielen falschen Fährten in dem Stück, das über okkult anmutende Rasseln, orientalisierende Soli und manche kleineren und größeren Eruptionen eine solide Sogwirkung entfaltet.

Baut diese auch auf einer konstant bleibenden Grundlage von Drone und schleppenden Takten auf, so beeindrucken die drei Stücke der zweiten Seite durch ihre Unaufgeräumtheit und Unberechenbarkeit. Hier trifft der aus Sardinien stammende (und heute in London lebende) Klangkünstler und Folk-Forscher Nicola Serra, der sich (vermutlich in Anlehnung an Joseph Roth) Il Santo Bevitore nennt, auf die Performancekünstlerin Conny Prantera alias The Seer.

In ihrer rund 25minütigen Trilogie beziehen sie sich auf den in dem altnordischen Götterlied Völuspá (“Weissagung der Seherin) beschriebenen Kreislauf des Werdens, Vergehens und neuen Entstehens – schon das ursprüngliche Werden erscheint im ersten Track keineswegs wie ein lieblicher Vorgang: Während aufgewühltes Klingeln und Rasseln wie eine Brandung auf einen zurollt, und eine dumpfe Stimme eine Textpassage rezitiert, erklingt ein chorartiger Gesang, der aus einem Gialloscore stammen könnte. Zwischen kantig-metallischem Rattern und Klappern, das eine interessante Sogwirkung entfaltet, dringen immer neue Textfragmente – no shoes on my feet – ans Ohr. Verschiedene klangliche Details driften auseinander, andere fließen zusammen und verschmelzen, ganz wie es einer Kosmogonie gebührt. Der dem Untergang geweihte zweiter Teil beginnt tatsächlich rhythmisch kohärenter und entfaltet im Verlauf zumindest für eine gewisse Zeit eine starke Eingängigkeit. Diese kontrastiert aber mit allerlei unterschiedlichem Material: Evokative Shouts, dröhnende Motoren, hexiges Zetern und Krächzen, das irgendwann im Rauschen verhallt, ferner die Klänge verschiedener Instrumente wie Akkordeon, Streichern und Gitarre, wenn es nicht akustische Täuschungen sind – all dies zieht einen in einen von Spannung erfüllten und symbolträchtigen Schauplatz, von denen man kaum zu entkommen glaubt.

Hochtönende Synties und ethnolastige Rhythmen befreien einen allerdings aus diesem Fatalismus und führen im dritten Stück an einen anderen Ort, dessen fließendes Klangbild trotz motorenhaftem Gebrumme und schrillen Lärmkaskaden an ein Szenario kosmischer Musik gemahnen. Wenn das Stück endet, befindet man sich wohl mitten im Prozess des neuen Werdens. Was an der Trilogie besonders überzeugt und was auch erheblich zur Eindringlichkeit der Musik beiträgt, ist die Stimmigkeit, mit der die beiträge beider Acts wie eine gut aufeinander eingespielte Band interagieren. (U.S.)

Label: Industrial Coast