V.A.: Lost Coast: Some Visionary Music from California, 1980–1992

Kalifornien ist wohl der amerikanische Staat, der am meisten quasimythisch aufgeladen ist, der „golden state“, dessen Geographie in besonderem Maße Versprechen des amerikanischen Traums enthielt. Man denke an die Küste, die die Lyrik Robinson Jeffers’ prägte. Es ist sicher dann auch kein Zufall, dass zahlreiche gegenkulturelle Bewegungen in all ihrer Ambivalenz – ein Kippen vom Emanzipatorischen ins Regressive (am Rande findet sich das auch in der Para-Moderne-Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn) – ihren Ausgangspunkt in Kalifornien nahmen.

Da gibt es eine lange Linie von Manson bis zu La Vey, im „California Dreaming“ ist auch immer der Alptraum angelegt, wie die Destruierung des gerade genannten Stücks auf  Current 93s „Great Black Time“ pointiert zeigt. Harold Bloom hat vor Jahren die von ihm mehr als kritisch gesehenen Ausprägungen von New Age in diesem Staat als „California Orphism“ bezeichnet.

Die hier versammelte „visionary music“ stammt nicht aus der Zeit des Höhepunkts der Hippiebewegung, sondern enthält spätere Aufnahmen und kommt von den Rändern: „All tracks were found on cassettes in flea markets, barn sales, rural thrift stores, and even stranger places—outside a gem and mineral shop, for example, and on the ranch of a retired mescaline dealer.“ 

Timothy Grays „It’s Raining“ lässt mit der sphärischen Elektronik entfernt an Tangerine Dream denken, Stephen Ross and David Mason kombinieren Wasserplätschern, Gitarre und indische Tablas. Planetary Peaces „Song Without Words“ mit Elektronik und mehrstimmigem, etwas getragenem Gesang lässt an leicht sakrale Beach Boys denken. Lee Underwood, u.a. Gitarrist für Tim Buckley, erzeugt mit melodischem Gitarrenspiel eine „Quietdue Oasis“. Terry Garthwaithe stellt auf „Sacred Within“ ihre Stimme (und Botschaft) ins Zentrum und verkündet (begleitet von ein paar Glöckchen): „I surrender to the universe/Letting a higher power in“. Es verwundert nicht, dass man auf ihrer Website über die immer noch aktive Garthwaithe lesen kann: „Terry’s recent recordings and writing reflect an awareness of the healing nature of music. “ Martin & Scott erzeugen auf dem nicht unpassend betitelten „African Sweet Fantasy“ mit Flöten und sphärischer Elektronik entspannende Musik. Donald Eggers’ “Full Moon” ist entrückter Ambient,  Clay Play erzeugen Geräusche wie klapperndes Atmen, als ob ein Zug fahre. Darrell Devores orentalische Flöte klingt, als habe sich David Carradine für Tarantinos „Kill Bill“ von ihm inspirieren lassen, Martin Espinos “Mexicayotl” beendet das Album mit rauschigem Ambient, Dschungelgeräuschen, Flöte, Exoticamomenten.

Das (in Kalifornien beheimatete) Label schreibt über die hier zu findende Musik, die teilweise doch sehr unterschiedlichen Stücke würden zusammengehalten „by a regional ethos of the ‘visionary.’“(MG)

Label: Goaty Tapes / House Rules