DAVID ÅHLÉN: New Jerusalem

Wenn in subkulturellen Kontexten Bezug auf Religion genommen wird, so wird das oft (nur) in der Übersteigerung, im Spektakulären goutiert und akzeptiert, etwa in der Beschwörung der Apokalypse, dem sich Nutzbarmachen des Feuer und Schwefel-Vokabulars des Alten Testaments (z.B. Eugene Edwards), in dem Gott noch ein strafender war. Oder aber man vertont Hymnen randständiger und abseitiger Gruppierungen (wie jüngst SABBATH ASSEMBLY). Ein scharfer Kontrast also zu den zweijährlich stattfindenden Sozialarbeitertreffen (vulgo: protestantische Kirchentage). Wenn einmal jemand von der Liebe Gottes singt, sorgt das häufig erst einmal für Abwehrreaktionen oder zumindest Rationalisierungsversuche.

Vor zwei Jahren interviewten wir den jungen, aus einer Baptistenfamilie stammenden Schweden David Åhlén, der auf seinem Debütalbum mit zerbrechlich-entrückter Stimme und dezenter akustischer Untermalung Lieder sang, die von seiner Liebe zu Jesus zeugten (er sei „süchtig nach Gott“, bekannte er im Interview), dabei verspürte man auf dem Debüt eine emotionale Intensität, der jedes Aufgesetztsein und Artifizielle ebenso wie überbordendes Pathos (das oftmals die Veröffentlichungen der Alten Testaments-Fraktion kennzeichnet) fehlte. Nach dem Debüt erschien eine EP namens „All the Way My Saviour Leads Me“, auf der er anlässlich des Geburtstags seines Vaters Kirchenlieder interpretierte und damit noch stärker sein Augenmerk auf die Religion richtete.

Die neue EP „New Jerusalem“ macht schon im Titel deutlich, dass thematisch an die Vorgänger angeknüpft wird und das Cover verdeutlicht sofort, dass es hier nicht um das Schwert, sondern den Frieden, die Liebe geht. Dabei erweist Åhlén sich erneut als Meister der Reduktion – sowohl was die Instrumentierung als auch die Länge der Stücke angeht. Auf gerade einmal 11 Minuten kommt die EP , das längste Stück ist dreieinhalb Minuten lang, musikalisch konzentriert er sich – ähnlich wie schon bei manchen Stücken auf dem Debüt – ganz auf Gesang und ein Instrument: Akustikgitarre oder Bass, dazu singt er mit einer Stimme, die sich im Äther vielleicht mit der Antony Hegartys treffen könnte. Das Titelstück bringt es gerade einmal auf zweieinhalb Minuten und in dieser Zeit erschafft Ahlen lediglich mit seiner Gitarre und Stimme eine Stimmung, die fast unfassbar ist: Hier ist Emotionalität kein Synonym für Kitsch, hier ist die „Reinheit“ des Klanges, von der er im Interview sprach, nicht gleichbedeutend mit Ideenlosigkeit. Verglichen damit ist der Gesang bei „He Gives“ noch stärker im Zentrum, wird nur von einem Akustikbass, der dezent im Hintergrund gezupft wird, untermalt, nur gegen Ende scheint kurz ein Keyboard auf. „Vesper“ und „Light Up“ folgen mit Gitarre respektive Bass den gleichen Weg und verdeutlichen, wie mit wenigen Mitteln ein Maximum an Intensität erreicht wird. Auch wenn die nun folgenden Begriffe eigentlich bei der Beschreibung von Musik zum Klischee geronnen sind, so muss doch gesagt werden, dass man von der Schönheit dieser elf Minuten (auch als Atheist) ergriffen ist.

(M.G.)