In einer gerechteren Welt würde vielleicht mal ein Journalist behaupten, IRON & WINE klängen ein bisschen nach BIRCH BOOK. Überstrapazieren würde er den Vergleich natürlich nicht, keineswegs, denn Sam Beam und seine Begleiter kommen um einiges technischer und temporeicher daher als die verträumt-melancholischen Songs des älteren Kollegen. Dennoch, eine gewisse Parallele in Stimmarbeit und Harmonien würde er nicht leugnen können, gerade bei den frühen Aufnahmen liegen sie fast schon auf der Hand.
Tatsächlich funktioniert die Welt ein bisschen anders, und auch in Zeiten hybrider Genres gestaltet sich der Einfluss- und Assoziationstransfer von einer Sphäre in eine andere, von der Nische zum Gehypeten und zurück, eher zäh, man assoziiert, was vertraut und gewohnt ist, und so muss jemand wie Beam eben mit den immer gleichen Querverweisen vorlieb nehmen – SIMON & GARFUNKEL, MAMAS AND THE PAPAS, FLEET FOXES und bärtige Hungerhaken im Schlepptau von Natalie Portman. Doch genug gepredigt, Iron & Wine haben mit „Kiss Each Other Clean“ einen überraschend fulminanten Stilmix abgeliefert – ein Album, das, ganz nach Art vieler anderer Folksänger dieser Tage, viel mehr als nur Folk sein will, und das Unterfangen wird solide gemeistert.
Die Abkehr von klassischen Akustiksound, der selbst noch den latent sperrigen Vorgänger „The Shepherd’s Dog“ prägte, wird schon beim ersten Stück deutlich – statt schlichter Melodien auf der Westerngitarre gebärdet sich „Walking Far From Home“ als elektroakustischer Roadmovie fernab des Naturidylls und mitten hinein in die Gefilde des sonnigsten amerikanischen Pop vergangener Dekaden, wobei ein aufmerksamer Schüler unweigerlich die BEACH BOYS assoziieren muss. Ein bisschen verfremdete klangliche Stylishness, ein euphorischer Gospelchor, der einem mehrfach begegnen wird, aber auch ein bisschen altbekannte Indie-Attitüde, die nerven kann. Beam hält nach den unterschiedlichsten Himmelrichtungen Ausschau, integriert Funk-, Ska- und Dub-Elemente (“Me and Lazarus“, „Big Burned Hand“) in sein Klangbild, aber auch Abstraktes, wie bei den melodisch stärksten Songs „Rabbit will Run“ und „Your Fake Name..“, die mit vertrackter Perkussion, Westcoast-Gitarren und seltsamen Bläsern die Kohärenz des Albums auf die Probe stellen.
Das Unterwegssein, die Reise, die heimliche, undramatische Flucht scheinen wiederkehrende Motive in Beams Songwriting zu sein, und er selbst verglich sein neues Album jüngst mit der Musik, die man als Kind im Auto seiner Eltern gehört habe. Was immer er damit gemeint haben mag, „Trees by the River“ und „Half Moon“ haben in der Tat etwas von einer musikalischen Sonntagsfahrt aus den Augen eines Kindes, und sind doch keineswegs so belanglos wie man sich so etwas vorstellen könnte – der verhaltene Beat und die elektrische Gitarre lassen das Herz eines jeden 60s-Fans höher schlagen und sind doch fern von jeder Rocknostalgie.
Dass Iron & Wine sich weiterentwickeln wollen, ist mehr als deutlich, und ihre neue Richtung ist irgendwo zwischen einsamen Highways und dem kalifornischen Pazifik zu finden, an Urig-Folkiges erinnern nurmehr einzelne Momente der Schlichtheit. Nett, vielleicht mehr noch als das. (U.S.)