THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION: Anthropomorphic

Doomjazz, Darkjazz, wären die beiden Bands, die solche Begriffskonstrukte im Namen tragen, nicht durchweg cool und mit einer stilvollen Mixtur aus Unnahbarkeit und Ironie ausgestattet, müsste man sie als Kategorien wohl ablehnen. Ernsthaft betrachtet klingen sie nämlich prätentiös und suggerieren, es handele sich um Spielarten des Jazz. Es handelt sich aber um Spielarten des Ambient, um recht virtuose und reichhaltige zudem. Ernst gemeint sind sie ohnehin nicht.

THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION ist ein Schwesterprojekt des bekannteren KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE, und besteht auch in seiner jetzigen, dritten Inkarnation wieder hauptsächlich aus Mitgliedern dieser Gruppe. Ist die Formation unter dem Motto des afrikanischen Vulkans vor allem im Studio aktiv, so verkörpert das japanische Pendant die eher improvisierte Seite als Liveband. Die Vorliebe für exotische Vulkane im Bandname wirkt keineswegs beliebig – zum einen, weil das Internationale durchaus Programm ist. Die wechselnden Mitglieder, diesmal gut zehn, leben über den Globus verstreut, und auch die Aufnahmen zu “Anthropomorphic” wurden an verschiedenen Orten in Polen, Russland und den Niederlanden live eingespielt. Live im Studio, ohne viel Planung, ohne allzu kleinkarierte Nachträglichkeiten. Zum anderen weil sich das Vulkanische wie ein rotglühender Faden durch die Musik zieht.

Sich Ambientmusik eruptiv vorzustellen, fällt wohl nicht nur Verächtern solcher Musik schwer. Der charakteristische Sound auf “Anthropomorphic” ist auch kaum berstend oder tosend, vielmehr flächiges Rauschen, flankiert von erdenden Streicherklängen, die auch eher den Fluss der dunklen Klänge stetig voran treiben, statt auf deren schnelles Explodieren hinzusteuern. Auch die Rhythmen, meist im Downtempo-Bereich, sind in ihren stärksten Momenten eher komplex als treibend. Und doch gibt es immer wieder Bewegungen, die auf einen Höhepunkt zusteuern, leise, unterschwellig, für angefixte Ohren kaum zu überhören. Es sind die Momente, in denen sich Sounds verdichten, intensivieren, am Ende das berühmte und viel zitierte Gefühl vermitteln, der ganze Raum sei ausgefüllt.

Das ist natürlich oft auch eine Frage der Soundqualität, und ist die zu high end, läuft elektronischer Ambient schnell Gefahr, zu glatt zu klingen, wird zur Musik für’s häusliche Ambiente für technikverliebte Konsumfreaks. Hin und wieder passiert das der Corporation schon mal, gerade in den intensiven Momenten, auch wenn flirrende Geigen und melodramatischer Frauengesang für Rührung sorgen. Sind das die anthropomorphen Momente, die sich im Titel gut machen? Dem entgegen stehen Augenblicke von reduziertestem Valium-Groove, und man denkt unweigerlich an BOHREN & DER CLUB OF GORE, die komplett ohne technische Effekte auskommen und immer noch die idealtypische Variante solcher Musik spielen, weil alle Komponenten aufeinander abgestimmt sind und nichts hinzuzitiert werden muss. Oder an Angelo Badalamenti, der mit zwei “Twin Peaks”-Stücken vielleicht die Urform dieses Stils geschaffen hat.

Seit dem Crossover-Boom sind hybride Musikstile immer wieder dem Verdacht ausgesetzt, am Reißbrett entstanden zu sein, und natürlich steht solche Skepsis auch Düsterklängen mit Jazzzitaten zu. Auf “Anthropomorphic” wirkt dem schon der improvisierte Livecharakter entgegen, die Fülle und der Effektreichtum pflichten dem Urteil freilich wieder ein Stück weit bei – und so muss es sein, es lebe der Doomjazz! (U.S.)