Einige Leser dieses Magazins wissen mittlerweile, welche Stimme sich hinter dem Namen Kal Cahoone verbirgt und sind mit einem Teil ihres Werks vertraut, kennen ihre Stimme und ihr Pianospiel aus Gastbeiträgen bei Christian Basso, WOVEN HAND und Jay Munly, vor allem aber ihr grandioses “Esqueletos”-Album mit der Band TARANTELLA. Mit der Anfang letzten Jahres erschienenen EP “Built the Fire” zeigte sich die Sängerin mit der wandlungsfähigen Stimme von einer sehr getragenen, aber auch von einer klanglich zurückgenommenen Seite.
“Saints and Stars” ist nun das erstes “Soloalbum” der Sängerin, die seit Beginn ihrer Karriere Einflüsse aus den unterschiedlichsten Regionen des amerikanischen Doppelkontinents und mehr miteinander verknüpft – Soloalbum in Anführungszeichen, da das Werk mit einer ganzen Reihe an Musikern eingespielt worden ist, die bei Liveshows unter dem Namen THE DIRTY PRETTY firmieren. Einige davon gehören wie Cahoone selbst zur erweiterten „Denver Familie“, und die Violinistin Elin Palmer, die Kal hier und da auch am Mikro unterstützt, dürfte das bekannteste Bandmitglied sein. Bei den Klängen des einleitenden “Evita” war mein erster Gedanke, dass sie den zuletzt eingeschlagenen Weg der Ruhe und Zurückgenommenheit wohl konsequent weitergehen wird. Piano, fragiler Gesang, der niemals süßlich und gefällig wirkt, und über all dem eine ernsthafte, doch niemals dick aufgetragene Feierlichkeit, die ihre Entsprechung zwar auch in einigen Tarantella-Stücken fand, der die ausgelassenen Exzentrik vieler älterer Songs jedoch fehlt. Mit manchen Songs wie “Another Lovely Day” sind ihr glatt angesoulte Popstücke gelungen, und ebenso wie auf der EP sind die Texte komplett in Englisch verfasst – einem aktuellen Interview zufolge ist die derzeitige Abkehr von Spanischen auch so etwas wie ein Ausdruck des Nachhausekommens, des Sich-Annäherns an die eigene Vergangenheit der Sängerin, die nach einer Jugend in Denver einige entscheidende Jahre in Chile und Argentinien verbrachte.
Dennoch ist “Saints and Stars” nicht vollständig aus dem gleichen Holz geschnitzt wie “Built the Fire”. In der Auswahl der Instrumente und in deren Einsatz setzt Cahoone wieder ein gutes Stück mehr auf altbekannte Manierismen, deren Wirkung sich wohl am ehesten bei Hörern entfalten wird, die nicht gerade an einer Retro-Phobie leiden. Melodarmatischer Einsatz von Geige und Cello, düster und ornamental, als untermalten sie einen lateinamerikanischen Stoff aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Relaxtes Schlagwerk, bearbeitet mit einem Besen, der den Stücken den Charme alter Torchsongs verleiht, die geradewegs aus einer alten Jazzkaschemme zu uns herübergeweht scheinen. Ungewöhnliches Händeklatschen und gehauchte Vocals im “Travel Song”. Doch neben diesen immer noch recht getragenen Elementen gibt es auch vereinzelt Augenblicke überraschender Gelöstheit: Ein kurzer Ausflug in die Musik der Roma am Ende des ohrwurmverdächtigen “Beside the Shalimar”, die Heiterkeit in “Sebastian”.
Zum Schluss gibt es dann noch einen famosen Folksong, und ähnlich wie schon bei ihrem Minialbum bleibt auch diesmal das sichere Gefühl, dass man von Kal Cahoone noch einiges zu erwarten hat – mit den Dirty Pretty existiert dann auch ein würdiger Nachfolger zu Kals früherer Band. (U.S.)