WARPAINT: The Fool

Vor einiger Zeit wurde ich über eine unserer Plattformen auf eine kalifornische All-Girl-Combo namens WARPAINT aufmerksam und war ganz verrückt nach dem Song “Elephants”. Der Gesang erinnerte mich an einigen Stellen fast ein bisschen an Joanna Newsom, aber vielleicht lag das auch nur an der Entrücktheit, welche die hypnotische Gitarrenmelodie heraufbeschwor. Als es dann etwas fetziger wurde und der Song am Ende in einem Höhepunkt aus Schlagzeugwirbel und Gitarrenfeedback explodierte, hatte ich den Eindruck, dass es doch mehr war als das bekannte artrockige Allerlei. Vielleicht verfiel ich aber auch nur der perfekten Indie-Schmonzette, eingespielt von einer Band, wie sie für derzeitige Lollapalooza-Lineups nicht typischer sein könnte. Zuletzt erschien dann auch das Debütalbum der Gruppe, um das in den einschlägigen Musikmedien eine Menge Wind gemacht wurde.

Klar gönne ich dem Quartett seine Freude, für eine Zeitlang in aller Munde zu sein, aber ganz ehrlich, als ich den „The Fool“ betitelte Longplayer zum ersten Mal bei mir laufen hatte, fragte ich mich, was das mit dem ganzen Wirbel eigentlich soll. Bitte nicht missverstehen: Warpaint spielen solide Songs irgendwo in dem weiten Feld, das man so grob mit Gitarrenrock und Indiepop umschreiben kann – mit ein bisschen Wut im Bauch und gelegentlichem Spaß am Krachen und Rauschen sind sie stets auf der Suche nach der perfekten Melodie. Im Grunde nette, durchaus nicht belanglose Musik, wie man sie sich auf WG-Partys und als Beschallung im Studentenkeller nur wünschen kann. Aber dass dort irgendein Musikstil neu definiert oder nach langer Verschüttung aus der Kiste geholt werden würde, könnte ich jetzt nicht bestätigen. 4AD-Revival? Gewiss hat man während der Jugend im lauten Los Angeles auch die traumwandlerischen Klänge der COCTEAU TWINS geliebt, noch mehr vielleicht die THROWING MUSES, aber die Band ist sicher auch nicht die erste und einzige, der man das anhört. Mit all diesen Traditionen im Gepäck spielen Warpaint soliden Chucksträgerpop der netteren Sorte, der seit den 90ern zum Standardrepertoire alternativer Jugendkultur gehört.

Doch zur Sache: Die meisten Songs auf dem Album sind Midtempostücke, die von filigranem Gitarrenpicking eingeleitet werden und sich nach und nach in Klangfülle und Tempo steigern, begleitet vom Einsatz von Bass und Schlagwerk. Die Gitarrensounds sind oft eher verschwommen und leicht verrauscht, weshalb die Shoegazerfraktion in jedem Fall auf ihre Kosten kommen sollte. Auf der Stimme von Sängerin Emily Kokal liegt immer ein bisschen Hall, der die melodischen Vokalpassagen angenehm verfremdet. Der Liebeslyrik in „Shadows“ verleiht dieser Effekt dann zum Beispiel eine leicht surreale Note. Wenn dann auch noch Snaredrums einsetzen wirkt dies emphatisierend und erdend zugleich. Auch die märchenhaft-unschuldige Melodie beim beinahe folkigen „Baby“ ist dank derartiger Klangarbeit über jeden Kitschverdacht erhaben. Ich bin kein Soundfetischist, aber auch den grauen Eminenzen im Studio (In dem Fall Leute, die bereits mit Beck, NEW ORDER und PRIMAL SCREAM gearbeitet haben) gebührt ein angemessenes Lob für eine klangliche Gestaltung, die das beste aus der Musik herausholt, ohne perfektionistisch und am Ende unpersönlich zu wirken. Am stärksten kombiniert der Song „Undertow“ all diese Qualitäten, stets changierend zwischen Harmonie und Temperament, zwischen verträumtem Pop und angedeutetem Postpunk. „Lizzy’s Heart Murmur“ und „Majesty“ sind dann wirklich gelungene Schmachtnummern, den Ausgleich bieten aggressivere Stücke wie „Composure“, bei dem unschwer zu erkennen ist, dass die Musikerinnen auch durch die Schule des Punk gegangen sind. Oder aber Grooviges wie das basslstige „Set Your Arms Down“ mit seinem kultigen Xylophon.

Soweit so gut, und ich würde mich freuen, wenn man von den Vieren auch in Zukunft noch mehr hören würde. Etwas enttäuscht war ich nur wegen der etwas überzogenen Lobhudelei einiger Kollegen, oder vielleicht auch, weil „Elephants“ (enthalten auf der EP „Exquisite Corpse“) nicht mehr mit auf das Album kam. (U.S.)