SABBATH ASSEMBLY: Restored To One

Sabbath Assembly, benannt nach der wöchentlichen Zusammenkunft der Process Church of the Final Judgment und bestehend aus Jex Thoth und David Nuss – mit Unterstützung von Produzent Randall Dunn, vertonen auf ihrem Debüt Hymnen eben jener von Robert und Mary Ann de Grimston Anfang der 60er gegründeten Gruppe, die schon recht früh auch popkulturell Spuren hinterlassen hat; so zitierte George Clinton auf den ersten  Funkadelicalben de Grimston. Die Neofolk- und Industrialszene dürfte durch Robert Taylors Erinnerungen im von Adam Parfrey herausgegebenen „Apocalypse Culture“ auf die „Kirche“ aufmerksam geworden sein. Auch Genesis P. Orridge war fasziniert: Auf TGs „Mission of dead souls“ findet sich das kurze Stück „The Process“, später zitierte er de Grimston u.a. auf einigen semioffiziellen TG-Veröffentlichungen, dem Splinter Test-Minialbum und zudem plante er zusammen mit Skinny Puppy Anfang/Mitte der 90er die Process Church neu zu gründen (es war daher kein Zufall, dass das letzte Album vor dem (vorläufigen) Split der Kanadier „The Process“ hieß).  Zudem fand sich auf der etwas schlampigen Cleopatra-Version von Psychic TVs Debüt „Force the hand of chance“  als Hidden Track die Vertonung der Werbung für den „Paranoids’ Course“ der Kirche.

Es stellt sich die Frage, warum diese aus (den Anfangstagen von) Scientology hervorgegangene Gruppe solch eine Faszination auf die Subkultur ausübt(e). Die Gründe sind sicherlich verschiedener Natur. Zum einen erkannte The Process schon früh die Werbewirksamkeit von Popstars, so dass sich in den Process-Magazinen auch Interviews mit ebensolchen (u.a. Marianne Faithful, Mick Jagger) fanden. Zum anderen ist da –gerade bezogen auf die Rezeption der letzten Jahre- die Aura des Mysteriösen, Okkulten und Satanischen, das die Gruppe umgab. Von den (falschen) Anschuldigungen Vincent Bugliosis in die Mansonmorde verwickelt zu sein und Maury Terrys The Ultimate Evil (in dem The Process als Teil einer satanischen Verschwörung dargestellt wurde) über das Erscheinungsbild (die dunklen Roben und die Symbolik (ein Swastikaähnliches Logo, die Ziege von Mendes)) bis zur Theologie (Jehovah, Jesus, Satan und Luzifer als Gottheiten – die de Grimston später aber lediglich als Archetypen verstanden wissen wollte) und Schriften des „Lehrers“ de Grimston mit martialischen Titeln wie „Humanity is the Devil“ oder „The Gods on War“ findet sich also einiges, das Interesse wecken mag – und sei es nur aus Sensationsgier oder unreflektierter Misanthropie.

Neue Bekanntheit erlangte The Process durch das 2009 bei Feral House erschienene Buch „Love Sex Fear Death“, in dem einige ehemalige Mitglieder über ihre Erlebnisse reminiszierten. Dabei fiel auf, dass manche nicht aufgrund der oben genannten Äußerlichkeiten oder der (vermeintlich so faszinierenden) Weltanschauung in den Sog der Gruppe gerieten, sondern viel eher wegen eines sympathischen/charismatischen/charmanten Werbers – sich ihr Verlangen nach Transzendenz und Geborgenheit vielleicht auch an etwas anderem hätte kanalisieren können.  Außerdem bekam man den Eindruck, dass die Texte de Grimstons wohl nicht unbedingt eine zentrale Rolle innerhalb der Gemeinschaft spielten.

De Grimston wurde Anfang der 70er von seiner Frau, dem „Orakel“, entfernt, die  Gruppierung benannte sich in The Foundation Church of the Millenium um (und entledigte sich aller „satanischer“ Elemente), bevor sie Anfang der 90er zu der erfolgreich agierenden Tierschutzorganisation Best Friends wurde (was insofern konsequent ist, als dass schon früh ein Process-Traktat Tierversuche als „The Ultimate Sin” geißelte).  Soviel zum Kontext.

Thoth und Nuss vertonen die (Auswahl der zahlreichen) Process-Hymnen völlig ernsthaft, ohne jedwede ironische Brechung. Auf ihrer Myspace-Seite heißt es, es ginge um „rePROCESSing their hymns for the current generation“. Die musikalische Umsetzung orientiert sich aber ganz klar an der Entstehungszeit, man wird an Gospel, Blues, an Psychedelic Rock, an die 70er erinnert. Dabei könn(t)en eine Reihe der Hymnen auch in konventionellen christlichen Gruppen gesungen werden, wobei (das eigentlich liebliche) „Glory Hallelujah“ aufgrund der (freudigen) Erwartung der Endzeit dafür weniger geeignet ist und die Anrufung von Satan und Luzifer (bei „We give our lives“) wohl auch orthodoxe Christen vor den Kopf stoßen dürfte. Jex Thoth meinte in einem Interview, wenn sie das Album mit einem Film vergleichen solle, sei es einer von David Lynch, was man so auslegen kann, dass Momente der scheinbaren überzeichneten Idylle (wie sie auch am Anfang von „Blue Velvet“ zu finden ist, bevor der Zoom der Kamera “nature red in tooth and claw” zeigt) durch die Texte destruiert werden. Die Musik auf  „Restored to one“ überzeugt durchgängig (großartig ist z.B. der a capella-Beginn von „The Time of Abaddon“), aber die Frage ist dennoch, ob sie ohne den religiösen Überbau solche Beachtung gefunden hätte (schaut man sich Rezensionen und Hörerkommentare an, muss man mit „Nein“ antworten). Das spricht aber nicht unbedingt gegen diese Veröffentlichung. Da es noch genug weitere Hymnen, die vertont werden könnten, gibt, würde man sich einen Nachfolger wünschen. „As it is…so be it.“

(M.G.)