FOVEA HEX: Here Is Where We Used To Sing

„Down down to the valley to dream of the faraway“

Als zwischen 2005 und 2007 die drei Mini-Alben „Bloom“, „Huge“ und „Allure“ veröffentlicht wurden, die die „Neither Speak Nor Remain Silent“-Trilogie konstituierten und später in einer Box zusammengefasst wurden, ging ein Rauschen durch den Blätterwald: Clodagh Simonds, in den 60ern Vokalistin bei MELLOW CANDLE und später kurzzeitig Gastsängerin bei u.a. THIN LIZZY und Mike Oldfield, spielte mit Hilfe einer Reihe von Musikern (u.a. Brian Eno, Andrew McKenzie, Roger Doyle, Colin Potter, Robert Fripp), deren größter gemeinsamer Nenner die Lust am Experiment, am (Durch-)Brechen von Konventionen war und mit der jungen Laura Sheeran – die jüngst ihr herausragendes Solodebüt veröffentlichte – als zweiter Sängerin, Musik ein, die –wie ich damals in einer Rezension schrieb – an der Schnittstelle von Ambient und Folk residierte, wobei diese Beschreibung aber letztlich zu kurz griff, da FOVEA HEX einen ganz eigenen, von ihnen selbst erschaffenen Kosmos bevölkern.

Rückblickend war es vielleicht keine so große Überraschung, dass David Lynch FOVEA HEX einlud, in Paris anlässlich einer großen Retrospektive seines Werks aufzutreten, denn schließlich haftete der Musik FOVEA HEX’ auch immer etwas Somnambules an, ließ sich ihre Musik in einer seltsamen Zwischenwelt verorten, in der die Ratio nur eine untergeordnete Rolle spielte.

Nach den drei EPs erschien noch eine 7″ zusammen mit Andrew Liles (von der „Every Evening“ in überarbeiteter Form auf „Here is…“ zu finden ist) sowie vor einigen Monaten unter dem Titel “Hail Hope” zwei Tracks zum Download, „Home is Where We Used to Sing“ ist also – betrachtet man die drei EPs als Teil eines Ganzen – erst der zweite Longplayer. Dabei fällt auf, wie sehr „This is Where We Used to Sing“ von Simonds’ Klavier(spiel) bestimmt wird. Das macht schon der erste Song „Far From Here“ deutlich. Ihre Stimme steht im Zentrum, begleitet von dezentem Pianospiel und etwas Keyboard. Dem Stück „Play Another“ geben die Streicher (Cello und Geige) etwas Getragenes, machen es zu Trauermusik („Oh the winter’s here again, it’s here again“). Auf „Falling Things (Where Does a Girl Begin?)“ übernimmt Laura Sheeran die Leadvocals. Auch kommt immer wieder (wie bei „Every Evening“) ein Harmonium zum Einsatz. Auf „Hymn to Sulphur“ vereinen sich Simonds’und Sheerans Stimmen und von Streichern begleitet singen sie: „I was born red gold to this glaze of flame – we burn and we burn all day“. Simonds’ Stimme kann  auch nur von einem Cello begleitet bestehen, wie bei „Jewelled Eyes“. Es gibt aber auch immer wieder Instrumentalstücke, wie zum Beispiel „Brisance, My Baby“, auf dem Simonds in den Credits neben dem Klavier mit „Ghosts of Things“ aufgeführt ist und das passt zu diesen sphärischen, irgendwo in einer Nebelwelt angesiedelten Klängen. Auch „Love For Uncertain“ und „Celandine“ sind geisterhaft-fragile, von Klavier durchzogene Klangflächen: Landschaften aus Feuer und Eis. Auch wenn manches aus dem Äther zu dringen scheint, so würde man es nicht schaffen, FOVEA HEX in eine Reihe mit den jüngst so abwertend bezeichneten „Folkelfen“ zu stellen, denn sowohl Simonds als auch Sheeran besitzen trotz aller hypnagogischen, traumhaften Momente eine Selbstbewusstheit, verlieren sich nie im Unterholz und inmitten aller getragenen Momente gibt es auch immer die Gewissheit des Gelingens: „For when I call for somebody, somebody brings me my cup of joy“ heißt es auf der Hymne an den Schwefel.

Mixte Andrew McKenzie bei der Ursprungstrilogie die Tracks auf einer jeweils beiliegenden Bonus-CD zu faszinierenden Klanglandschaften, so erschaffen hier Michael Begg, Colin Potter und William Basinski aus verschiedenen Sequenzen des Ausgangsmaterials Neues, dabei sind die drei keine Demiurgen, sondern echte Schöpfer: Michael Beggs „Fall Calling“ erzeugt aus Streichersequenzen Drones und kreiert echte Herbstmusik. Colin Potters „Cup of Joy“ rückt vielleicht etwas überraschend die Stimmen ins Zentrum, macht noch einmal die enorme gesangliche Leistung deutlich, während Willima Basinksis passend „Glaze“ betitelte Stück den Hörer in eine Ballardsche Kristallwelt versetzt. Das hat nichts mit den reduziert-kristalinen Klängen der Menschenferne zu tun, die das Spätwerk von Asmus Tietchens ausmachen, vielmehr meint man, jemand spiele in einem Schneesturm eine Orgel. Das ist – ebenso wie das eigentliche Album – metaphysische Musik im Sinne eines Nicht(be)greifenkönnens.

(M.G.)

Label: Janet Records