Es mag diejenigen, die etwas mit Simon Finns Werk und Werdegang vertraut sind, nicht überraschen, dass er den Titel des Abschlusstracks „A Bad Plan is Better Than None“ in den Linernotes als Motto seiner Lebensphilosophie bezeichnet, denn in den Jahrzehnten seit Finn sein Debüt „Pass the Distance“ veröffentlichte, schien er zumindest partiell vom Pech verfolgt zu sein: Wegen unklarer Rechtslage verschwand das Album kurz nach Erscheinen recht schnell wieder aus den Regalen, seiner Tätigkeit als Biobauer in Kanada, wo er seit Anfang der 70er lebte, kam er zu einem Zeitpunkt nach, als die Zeit noch nicht reif für so etwas war und in einem Interview, das ich mit ihm während des Donaufestivals führte, meinte er lapidar: „Ja, was auch immer ich mache….es wirft keinen Gewinn ab. Ich habe auch Wasserfilter verkauft. Das ist den Bach runtergegangen, weil niemand Wasserfilter gekauft hat. Zehn Jahre später sah das ganz anders aus.“ Man könnte natürlich auch sagen, dass Finns Pläne nicht „schlecht“ sind, er ganz einfach seiner Zeit voraus ist – und die Vorhut hat es meistens nicht so leicht. In BWL-Sprech ausgedrückt, könnte man vielleicht sagen, dass Finn immer jemand war, der sich schlecht verkaufen konnte (und das sollte man im doppelten Wortsinne und bedingt durchaus als Kompliment verstehen). Das zeigte sich auch ab und an bei seinen Auftritten: Das Unspektakuläre, leicht Unbeholfene, das er manchmal auf der Bühne ausstrahlt, steht dann allerdings in scharfem Kontrast zu der Intensität des Vortrags – dabei kommt es selten zu solch eruptiven Momenten wie auf dem Stück, für das er wohl bei einigen auf ewig in Erinnerung bleiben wird:„Jerusalem“.
Seit seiner Rückkehr zur Musik im Jahre 2005 – Ende der 80er/Anfang der 90er kamen drei Romane heraus, ein neuer namens „Oral Hygiene“ ist jüngst als E-Book erschienen – veröffentlicht er alle zwei Jahre Alben. War das relativ aufwändig produzierte und mit vielen Gästen eingespielte (und mit dem Produzenten des Debüts,Vic Keary, aufgenommene) Album „Accidental Life“ auch mit der Hoffnung entstanden, eventuell das Interesse eines größeren Labels zu wecken, so findet auf „Through Stones“ erneut eine personelle Reduktion statt, wird Finn primär von der langjährigen Mitstreiterin Joolie Wood unterstüzt, die ihn seit seinem Comebackalbum „Magic Moments“ (auf Durto) begleitet.
Es wurde schon mehrfach gesagt, dass Finns Songs sich grob in eher narrative und eher reflexive einteilen lassen, Finn selber sagte in oben erwähnten Interview, seine Songs seien nicht zynisch und das ist trotz aller Thematisierung der dunkleren Seiten der conditio humana nachvollziehbar, wirken sie oft textlich und durch die Art des Vortrags eher lakonisch.
Die ersten Stücke des Albums knüpfen an die Songs der letzten Alben an, die von einer gewissen Melancholie geprägt waren (wie etwa „Neutered Air“ oder „Accidental Life“): „Strict Straight and Gorgeous“ beginnt mit dezent gezupfter Akustikgitarre, zu der eine Hammondorgel und eine traurige Geige dazukommen und Finn singt: „Like flea upon a dead man’s suit/I wait like every frog and newt/Your gorgeous grace & frost glazed gorse/To yield, once more, to summer’s force“ um dann im Refrain zu offenbaren, warum die adressierte Person dies in ihm auslöst: „You make me nervous/You’re so strict, and gorgeous“. Könnten die Backingvocals von Joolie Wood auf anderen Veröffentlichungen vielleicht die Grenze des Trivialen überschreiten, so wird das hier auf souveräne Weise vermieden. „Barren Leaves“ ist vom Vortrag und durch das Strumming der Gitarre dramatischer, die von Wood gespielten Blasinstrumente unterstreichen die Gefühle, die durch die Kritik am Zustand der Welt ausgelöst werden: „The rich they try to buy everything/They see and like/The rest we try to like/What we’re lucky enough to get“ – ein erster Höhepunkt auf einem an Höhepunkten nicht armen Album. Das Titelstück ist dann wieder eher getragen: „But what she’d really like to know/Is how to come back from below and grow/Through stones“. Stücke wie „Don’t Play If Onlys“ entledigen sich dagegen jedweder Melancholie und Trauer, sondern sind geprägt von dem lakonischen Vortrag Finns, dessen Lebensphilosophie sich sicher in Zeilen wie „We can’t always understand/What’s in fate’s head/So don’t trouble wondering why/Just move on with your life“ widerspiegelt. Dieses schulterzuckende Akzeptieren des Unvermeidlichen ist vielleicht Finns Art der Lebenshilfe (und man könnte ihn sich im Radio vorstellen, wie er diese Worte den zwanghaft nach Sinn Suchenden zuraunt). Einige der Stücke sind Jahrzehnte alt: so etwa das für seine Mutter geschriebene „Pamela Russell“, dem man seine Wurzeln in den 60ern anhört und das gegen Ende in eine Irish Folk- Nummer übergeht (etwas, das bei „Maid Marion“ später wieder aufgenommen wird). Ein wenig aus dem Rahmen fällt das improvisierte, in einem Take aufgenommene und von Danny Sceats Schlagzeug dominierte „Live in a Barn“, das für Finns Verhältnisse recht rockig ist. „Polar Veil“ wurde ursprünglich auf der anlässlich der Current 93-Auftritte in London vergangenes Jahr erschienen Single mit Rameses III und Comus (auch Musiker, die nach einer ähnlich langen Zeit der Stille zurückgekehrt sind) veröffentlicht, auf der die Eröffnungszeilen „Bright eyed when I started, about it all/Now I’m wide eyed and broken hearted/About it all“, die vielleicht als Signum unter jedes Leben gesetzt werden könnten, durch Finns zurückhaltenden Vortrag bar jedweden Pathos sind. Das narrative „Naturally Broken“, auf dem ein Gespräch zwischen einem „He“ und einer „She“ beschrieben wird, kommt zu dem Schluss: „It seems time, like all else/Just comes naturally broken“. Gegen Ende des Albums knüpft „Swallow“ wieder an die Stimmung des Anfangs an: „He’s learned the way of the warrior/The solitude of the freak/Remembered always the distance/Between the words of those that speak“. Das kurze experimentelle und von Akkordeondrones, Orgel und E-Gitarre dominierte „ A Bad Plan is Better Than None“ besteht lediglich aus den Zeilen: „Good plans are really the same/It’s just the ending that’s changed“ und nach Hören dieses Albums denkt der Rezensent – wieder einmal -, dass in einer nicht „gebrochenen“ Welt Finn schon lange im Pantheon der großen (oder zumindest kanonisierten) Songschreiber aufgenommen worden wäre, neben denen er im „Tower of Song“ (L. Cohen) ganz bestimmt (be)stehen könnte. (M.G.)
Label: 10 to 1