MUJERCITAS TERROR: Excavaciones

Im Jahr 1868 veröffentlichte Louisa May Alcott den ersten Teil ihres Romans “Little Women”. Oberflächlich betrachtet die Biografie vier junger Schwestern im tristen Neuengland, umgibt die Geschichte doch etwas Märchenhaftes. Auch in den zahlreichen Filmadaptionen kam dies zur Geltung, ob in der berühmten Umsetzung “Betty und ihre Schwestern” mit Winona Ryder oder in den japanischen Mangas, die auf dem Stoff basieren. Irgendwie hätte der Stoff auch das Zeug zu einer Tim Burton-Verfilmung, die dann den cartoonhaftes, surreales Zug betonen würde, der in Ansätzen bereits in der Geschichte angelegt ist.

Dieser Idee sehr nah kommt ein 2001 in Buenos Aires gegründetes Trio, das sich von dem Buch zu seinem Bandnamen inspirieren ließ. “Mujercitas Terror” bedeutet “Schrecken der Kleinen Frauen” und ist direkt aus dem Stoff abgeleitet. Musikalisch einem recht urtümlichen, aber auch eingängigen Punksound verpflichtet, kombinieren die drei die Musik mit einem surrealen Artwork, in dem die Traumgesichte eines Alfred Kubin auf die kindliche Erotik von Nicoletta Ceccoli und die brutale Morbidezza gängiger Tattooart treffen. Als vor vier Jahren ihr selbstbetitelter Erstling erschien, wollte man mit diesem Konzept noch unmissverständlich ein eigenes ästhetisches Terrain markieren. Der Nachfolger „Excavaciones“ bewegt sich in ähnlichen Gefilden, wenngleich die visuelle Komponente den Stil des Vorgängers nicht wiederholt – fast möchte ich sagen „leider“, denn der Popsurrealismus, der immer noch das Booklet visualisiert, sagt mir doch um einiges mehr zu als das an klassischen Gothic Horror anknüpfende Motiv des Frontcovers. Carmen Burguess, heute bei Mueran Humanos, war früher Teil der Band und kollaboriert nach wie vor bei diversen Buchprojekten der Sängerin Daniela Zahra, die sich nebenbei bereits mit interessanten Illustrationen einen Namen gemacht hat.

Die Musik des Trios basiert auf den klassischen Komponenten Gesang, Gitarre, Bass, Drums und dezenter Elektronik. Sie ist in erster Linie energiegeladen, und wenngleich nur der Gesang weiblich ist, verknüpfen Mujercitas Terror ihren surrealen Lowbrow-Postpunk doch mit so etwas wie einer forschen Riot Girl-Attitüde. Man kommt gleich unverzüglich zur Sache, beim ersten Stück kommt eine vitale und durchaus gutgelaunte Stimmung zustande, deren morbide Komponente sich für jemanden, der des Spanischen unkundig ist, vielleicht erst durch die Gestaltung erschließt. An dieser Stelle vollzieht sich auch der Konnex zum Artwork, denn in beiden Fällen kommen Brutalität und Unschuld zusammen. Neben der mitreißenden Melodie fällt vor allem die gewollt altertümliche Produktion auf: Wie in Aufnahmen der 60er Jahre steht die Stimme stark im Vordergrund und erzeugt ein seltsames Old School-Ambiente, das umso interessanter wirkt, da es zu dem musikalischen Stil nur bedingt passt. Beginnt das Ganze recht kraftvoll, so sind im Laufe des Albums auch wehmütige Töne zu hören, beispielsweise in “La Ceremonia”. Doch auch solche Momente vermögen den Hörer zu infizieren, der am Ende noch in einer unbekannten Sprache mitsingen will, und flugs geht es im kämpferisch nach vorn preschenden “Mma Mata Ninas” im Uptempo weiter.

Neben den von Daniela Zahra allein bestrittenen Stücken gibt auch mehrstimmigen Gesang, der sich wie in “Delantal Rosa” zu einem entfesselten Schrei nach Freiheit steigert. Auch wenn die Musik überwiegend auf einfachen Kompositionen fußt, so gibt es auch im Instrumentenspiel einiges an Variation. Stehen bei den meisten Songs die Riffs im Vordergrund, so finden sich gelegentliche Ansätze zum Gitarrensolo. Über allem jedoch stehen die Gesangslinien, die bei jedem Song eine bestimmte Atmosphäre aufrecht erhalten. Dass genau dies auch ohne Textverständnis funktioniert ist eine der Qualitäten, die die Platte auszeichnen. Der Band wäre zu wünschen, dass sie mit diesem Album auch in Europa die verdiente Aufmerksamkeit erfährt.

A. Kaudaht

Mujercitas Terror