Mit Thomas Bernhards Worten könnte man sagen, dass Laury J. Tilbury alias Birdengine am ehesten zwischen den Orten zuhause ist. Das ist zunächst ganz buchstäblich gemeint, denn der aus Südengland stammende Musiker ist auch geografisch ein Reisender. Zur Zeit hält er sich in Thailand auf, frühere Stationen waren die Champagne und Berlin, wo er im Dunstkreis von Woodland Recordings aktiv war. Aber auch musikalisch ist der experimentierfreudige Brite gerne in unterschiedlichsten Regionen unterwegs. Er wird leicht grantig, wenn man seine Musik zu nah am Folk verortet, sieht sich als Popper, der mit Klampfe und Tiermetaphern im Gepäck den perfekten Song sucht. Dunkle, krachige Tapeloops sind ein ebenso beliebtes Experimentierfeld, und zwischen all diesen Orten bildet Birdengine ein ganz eigenes Fleckchen Land.
Birdengine (nicht zu verwechseln mit den deutschen Psychedelikern Birdmachine) spielt eine Musik, die recht gegensätzliche Eigenschaften zu verschmelzen weiß. Dass akustische Gitarrenmusik mit folkigem Einschlag eine rumpelige und urige Atmosphäre versprüht ist nicht selten. So zumindest könnte man das schmissige Schlagwerk im Opener „Phantom Limb“ beschreiben, das dumpf wie eine mit dem Kochlöffel malträtierte Pappschachtel den Takt angibt und den eigentümlich gepressten Gesang Tilburys untermalt. Erst recht die hausbackene Atmosphäre vom „I, Dancing Bear“, in dem der Gesang fast an Saufgegröle erinnert und von Vogelzwitschern begleitet wird. An einigen Stellen ist das pures Pathos und ziemlich skurril. Soweit, so greifbar, nur ist dies meistens nicht die Art von Folk, die man als „arty“ wahrnimmt, was Birdengine aber durchaus blühen könnte – wegen der surreal anmutenden Poesie in den Lyrics, der gelegentlichen Reminiszenz an Renaissancemusik, aber auch wegen der osteuropäischen Einflüsse und allerlei Gypsie Tunes. Dann bleibt die Stimmarbeit des Sängers auch kaum im hausbackenen Rahmen: Beim verhinderten Rocksong “No Arms And No Friends” erinnert Tilbury fast an Glenn Danzig, dann wiederum bekommt sein Gesang einen Touch von Falsett oder gipfelt in pures Gejaule. Und immer wieder bekommt Tilbury es so hin, dass es passt. Alles verschwimmt, so wie das Motiv auf dem Albumcover.
Die Höhepunkte des Albums liegen dennoch in den klassisch schönen Stücken – „Hoof“ beispielsweise, das einer Schmonzette schon recht nah kommt, aber durch schwere Streicherarbeit am Cello und die stimmungsvolle Melodie eines Akkordeons seinen ernsten Charakter bewahrt. Oder bei “Scarecrow and the Longpig”, bei dem eine abstruse Tierfabel den Kampf mit dem barocken Gitarrenspiel aufnimmt. Wer in all dem ein bisschen Dada zu goutieren weiß, dem wird am Ende noch ganz feierlich zumute.
Label: Bleeding Heart Recordings