DEMDIKE STARE: Elemental (Parts 1 & 2)

In den letzten Jahren ist vermehrt deutlich geworden, dass Hybride oftmals origeneller sind als die, die sich sklavisch an mosaische Reinheitsgebote innerhalb engster Gattungs- und Genregrenzen halten. Das nordenglische Duo Demdike Stare ist schon allein aufgrund der Herkunft der beiden Beteiligten ein Vertreter ersterer Gruppe: Miles Whittaker kommt vom Techno (er ist u.a. ein Teil von den ebenfalls auf Modern Love veröffentlichenden Pendle Coven), Sean Canty – der bei dem archivarischen Label Finders Keepers angestellt ist und einmal als einer der bekanntesten Plattensammler Manchesters apostrophiert wurde – vom Hip Hop. Zudem werden Einflüsse wie der „Maniac Soundtrack“, Earth, Sunn O))) oder Carl Craig genannt, und wenn Sean Canty in einem Interview behauptet „I’m very much into things crashing into each other, which on paper would be very, very wrong, but it just becomes very, very right“, darf man das durchaus als angemessene Beschreibung der Musik des Duos, dessen Debütalbum bezeichnenderweise „Symbiosis“ hieß, verstehen.

Die Initialzündung zur Gründung des Projekts war es, einen Soundtrack für einen nicht existierenden Horrofilm zu machen und auch das schlägt sich auf den bisherigen Veröffentlichungen musikalisch wie visuell nieder, wobei die Themen- und Motivkomplexe weit gefasst sind, Bögen geschlagen werden zwischen Stammheim und dem tibetanischen Totenbuch, zwischen Bibel und abendländischer Magie. Schaut man sich das von Anfy Votel gestaltete Artwork an, denkt man an den Projektnamen (bei Demdike (aka Elizabeth Southern) handelt es sich um eine bei einem Hexenprozess in Pendel in Lancashire hingerichtete vermeintliche Hexe), weiß, dass Mix-CDs, die die beiden zusammenstellen, auch mal Titel wie „Samhain Slant Azimuth Volume 1“ haben können und berücksichtigt zudem, dass die beiden ihre Auftritte mit alten Gillaovideos untermalen, dann mag der eine oder andere Anknüpfungspunkte an Witchhouse sehen, allerdings ist das ein ziemlicher Kurzschluss, denn musikalisch wie visuell hat das wenig miteinander zu tun. Dazu fehlt das Schrille und Grellbunte, das viele Veröffentlichungen dieses postmodernen Internetphänomens prägt.

Nach der Zusammenfassung der ersten Veröffentlichungen auf der 3CD-Box „Tryptych“ ist „Elemental“ ein ähnlich groß angelegtes, wenn auch konzeptionell dichteres Projekt. Zuerst wurden die ersten beiden Teile „Chrysanthe“ und „Violetta“ zusammen in einer für vier 12′ Platz habenden Hülle veröfentlicht. Teile 3 und 4 sind seit kurzem erhältlich. Eröffnet wird die erste EP von „Mephisto’s Lament“, einem Stück, das die Düsternis vorheriger Aufnahmen intensiviert und verdichtet (schon Whittakers „Facets“-EP, die er unter seinem Vornamen veröffentlichte, war wesentlich (be)drückender als seine Aufnahmen als MILZ oder mit Pendle Coven): Inmitten der Drones scheint Perkussion zu beginnen, die aber kurz vor der Eruption abbricht, ganz so, als versagten die Maschinen in einer Fabrik. Das Pulsieren und Dröhnen situiert das Stück nah am Industrial. „Kommunion“ beginnt minmal, bis ein Dröhnen erklingt, man meint, Knochenflöten lüden zum Fest, dann nach einer Weile Geräuschfetzen, Klavierfragmente, Perkussionandeutungen, die aber hier fast noch kaputter als auf dem Opener klingen und man den Eindruck hat, hier habe jemand in einer urbanen Wüste versucht, auf einem kaum noch funktionierenden Plattenspieler Vinyl zum Klingen zu bringen. Der „Unctions“  einleitende Loop wirkt, als er sei SPKs „Leichenschrei“ entnommen, dann brechen Krachen und Scheppern ein und auch zu diesem Track kann bzw. möchte man nicht tanzen. Erneut wird ein (ver)wüst(et)er Ort heraufbeschworen. Vor einiger Zeit sprach ich bei einer Besprechung von Nate Youngs Album „Regression“ von dystopischer Musik und auch wenn die kollagierende Herangehensweise von Demdike Stare eine andere als die des amerikansichen Wolf Eyes- und Demons-Mitglieds ist, so ist die erzeugte Stimmung doch vergleichbar. Die zweite 12′ beginnt mit einem kurzen Country (?)-Loop, bevor mit „Mnemosyne“ ein etwas melodischeres Stück folgt, auf dem Stimmfetzen zu hören sind, Becken geschlagen werden und wieder stotternde perkussive Momente zu finden sind. „In the Wake of Chronos“ ist noch reduzierter, man hört flirrende Sounds im Hintergrund, in die wieder kurze Loops einbrechen, bevor gegen Ende kurz verstimmte Töne auftauchen. Abgeschlossen wird die zweite EP von dem Titelstück, das wie eine Zusammenfassung und Verdichtung des Vorherigen anmutet und gleichzeitig der hektischste Track der Platte ist: Die finale Eruption vor dem unweigerlichen Aus.

Die ersten beiden Teile von „Elemental“ lassen das Perkussiv-Treibende des Hits „Hashshashin Chant“ fast völlig außen vor und auch der Einfluss (fern)östlicher Musik, der die Aufnahmen auf „Tryptych“ prägte, fehlt. „Elemental“ ist Musik, der fast durchgängig eine latente Bedrohung innewohnt. Ob man das nun zwangsläufig als „Hexenmusik mit Ideologie“ (de:bug) bezeichnen muss – ich denke, nicht -, spielt keine Rolle, aber vielleicht sollte es ausreichen zu sagen, dass „Elemental“ eine originelle Form von Geräuschmusik ist, die abseits ausgetrampelter Pfade zeigt, dass eine „Erosion of mediocrity“ (so der Titel des ersten Stücks der gerade veröffentlichten „Rose“-EP) (noch) möglich ist.
(M.G.)

Label: Modern Love