Irgendwie waren Stereo Total immer die einzige deutsche Band der Generation Flipflops, deren Electro Clash ich nicht nur ertragen konnte, sondern zwischendurch sogar immer mal richtig gut fand. Fanden die meisten anderen Verdächtigen treffsicher ihren Platz entweder im neunmalklugen Studententum oder in kleinbürgerlicher Gefälligkeit, blieben Françoise Cactus und Brezel Göring stets eigensinnig, geistreich und gepflegt provokant, und all dies, ohne einem schon nach dem dritten Song mittels Bemühtheit auf den Keks zu gehen. Mag Françoise’ (selbstverständlich ironische) Schmollmund-Stimme nun ihrem Akzent geschuldet sein oder in der durchgehenden Forciertheit eher Masche – sei’s drum, man muss sie ja nicht am laufenden Band hören. Ein weiterer Großverdienst: Wer Adriano Celentanos „Furore“ nicht schon aus Mario Bavas Thriller „The Girl Who Knew To Much“ kannte, der kennt es spätestens seit Stereo Totals „Monokini“.
Ihr elftes Album im neunzehnten Bandjahr nennen sie „Cactus versus Brezel“, doch glücklicherweise passt entgegen allem, was der Titel suggerieren mag, alles bestens zusammen, und auf den fünfzehn Songs findet sich Stoff für so manches Deja-Vu. Da wäre jede Menge Kritisches, unterhaltsam präsentiert und weit entfernt von jeder Miesmacherei: Die Frau stört immer, weiß Françoise zu berichten, vor allem in der Musik, aber auch im Haushalt ist sie einfach nicht passend zu machen. „Eine Hure in der Küche, eine Köchin im Bett“ – zu soviel Widerspenstigkeit kann man nur gratulieren, vor allem wenn sie so fetzig elektropunkig am Start ist, dass ein ordentlicher feministischer Pogo ausgemachte Sache sein sollte (es gibt übrigens noch einen Song über Alice Schwarzer, dessen Text ich allerdings nicht verstehe). Das Phänomen Kritik hat generell schon bessere Zeiten gesehen, wie der Gassenhauer „Pixelize Me“ zu berichten weiß. Statt kritisch-analytisch unter die Lupe zu kommen, wird der Hipster von heute per Fotoshop zu einem seriellen Objekt designt – könnte Kulturpessimismus doch immer so unterhaltsam sein, und vor allem mit einem solchen „Musique Nonstop“-Sound der guten alten 80er unterlegt.
Bei „Ich will Blut sehen“ stellt man erneut fest, was man dankt Stereo Total schon seit zehn Jahren weiß, nämlich dass NDW ein unvergängliches Kraut ist, bei “Qu’ Est-Ce Que Tu Peux?” wird auch noch klar, wie gut er sich mit Sixties-Beat verträgt. Man freut sich, dass „Chopin ou quoi?“ eher Slapstick als Romantik zum besten gibt, genießt die mediterrane Leichtigkeit plus Videospiel-Gimmicks in „Caféterie Ideale“ und stimmt vollmundig in das „Lied für Vegetarier” mit ein: Ein Song über eine Welt, die nur von lustigem Gemüse bevölkert ist, und in der der lange Spargel die große Nutte unter den Gemüsen ist. Fast schade, dass sie am Ende alle gegessen werden.
Man ahnt es, das Fazit lautet Kurzweil. Das ist durchaus gut und mehr muss nicht gesagt werden.
Label: Staatsakt