LOCRIAN & CHRISTOPH HEEMANN: s/t

Ich weiß nicht wo und in welchem Zusammenhang sich die Wege von Christoph Heemann und dem amerikanischen Trio Locrian kreuzten, aber es sollte keine Begegnung ohne Folgen bleiben. Beide, der norddeutsche Klangbastler, der sich seine ersten Lorbeeren mit Bands wie Hirsche Nicht Aufs Sofa erspielte, und die jüngeren Kollegen aus Chicago mit ihrem ganz eigenen Klangbild zwischen organischem Ambient und Metal-Zitaten fernab jeder Rockattitüde – beide Projekte sind stets aufgeschlossen für ungewöhnliche Zusammenarbeiten. Dass es bei der ersten Kollaboration erhaben dröhnen wird, war abzusehen. Dass beide Stile derart zu einer Einheit fusionieren, überrascht dennoch.

Vier ausladende Klanglandschaften, alle zwischen zehn und fünfzehn Minuten lang, sind das Resultat ihrer gemeinsamen Arbeit – Landschaften, die des nachts erkundet werden und die Schauplatz mythischer Ereignisse sind. Letzteres kommt in Andeutungen zur Sprache, neben der Stimmung v.a. durch die Titel, die Monumentales andeuten. „Hecatombe“ bezeichnet laut einer populären Enzyklopädie einen antiken Opferbrauch, der Begriff verweist auf die Anzahl der Opfertiere und suggeriert im Einklang mit der Musik Großes und Bedeutsames. Mit einfachen Mitteln wird eine beschwörende Stimmung entfacht: Wenige Akkorde auf einer stromlosen Gitarre, geheimnisvolles hintergründiges Summen und ein rituelles Pulsieren reichen aus, um den Hörer zu bannen, und erst mit der Zeit, wenn das Dröhnen und Pochen immer bedrohlicher erscheint, wird deutlich, wie vielschichtig das Soundgebilde eigentlich ist. Verschiedene Klanglinien bahnen sich ihren Weg, immer drängen andere in den Vordergrund, transformieren sich, aus Linien zweigen sich wieder andere Linien ab, verdoppeln sich, finden wider zusammen. Das infernalisch dröhnende Schlussstück „The Drowned Forrest“ könnte tatsächlich ein Requiem auf ein von Fluten verschlungenes Land sein, wie es in zahllosen maritimen Mythen vorkommt.

“Loath the light” beginnt beinahe mit Stille, als ob der Sound dem Licht entspräche, das hier so sehr verabscheut wird, dass man sich gesanglich beinahe in schwarzmetallische Gefilde begibt. Die eruptiven Vocals sind befreiend und erscheinen doch keineswegs plötzlich – spannungsgeladenes Auf- und Abebben und für Momente zielloses Spiel mit den High Hats stellen den Ausbruch bereits in Erwartung. Man würde bei solcher Musik nicht von Leichtigkeit sprechen, und dennoch haben die kraftvollen, intensiven Klänge niemals das Bleischwere anderer Bands, die man leichtfertiger als Drone Doom klassifizieren würde. “Edgless City” beginnt subtil und hintergründig, doch auch diese Komposition gewinnt im Laufe der Zeit an Markanz, an der auch die grobkörnig unterlegten Smooth Jazz-Bläser nichts ändern.

Dass sich die Stücke in ihrem zirkulären Aufbau ähneln, ändert nichts an der Spannung, die sie durchweg aufrecht erhalten – tolle Melodieansätze und ein ebenso rauer wie erdiger Sound tragen ihren Teil dazu bei, mehr vielleicht dankt sich der unbestimmbaren Magie eines gelungenen kreativen Dialogs. Wer gerne versteckte Details hinter vermeintlicher Einfachheit sucht und ein Faible für eine mit wenigen Mitteln erzeugte Erhabenheit hat, dem sei diese Kollaboration mit Nachdruck empfohlen. Ich würde mich über eine Livedarbietung des Materials ebenso freuen wie über einen zweiten Teil.

Label: Handmade Birds