EXPO ’70 & ANCIENT OCEAN: Split

Wer sich in der Welt der Drones und Soundscapes für Spuren von Psychedelia, Krautrock und diversen Synthiepionieren der 70er Jahre interessiert, der kann sich heutzutage über ein zufriedenstellendes Angebot freuen und hat schlimmstenfalls sogar ein kleines Auswahlproblem. In der Menge an Erzeugnissen geht manches zwangsläufig unter, und besonders betroffen ist davon sicher diejenige Musik, die über weite Strecken dezent hintergründig und gewollt introvertiert ist. Vor allem ersteres trifft auf viele Arbeiten zu, die die beiden Amerikaner Justin Wright und John Bohannon in den letzten Jahren unter ihren Projektnamen Expo ’70 und Ancient Ocean aufgenommen haben. Allerdings sind die beiden derzeit so rührig, dass sie auch diesseits des alten Ozeans ihren Geheimtippstatus bald abgeschüttelt haben dürften. Konzerte mit großen Namen wie Tom Carter (Charalambides), Wooden Shjips, White Hills und Psychic Ills tun ihr übriges. Ist man erst einmal dem Reiz ihrer Harmonien und Melodien erlegen, bedarf es solcher Tags ohnehin nicht mehr. Das jüngste Lebenszeichen ist ihre erste gemeinsame Split-LP, die zwei sonore Zeitmaschinen mit doppeltem Boden enthält.

Wright bezeichnet die Musik von Expo 70 als „late midnight improvisation“, und der Name des Projektes, das anfangs noch als Trio in Erscheinung trat, referiert auf eine Weltausstellung im japanischen Osaka, die 1970 unter dem Motto „Progress and Harmony for Mankind“ stattfand. Beide Sschlagworte fassen die Musik ganz gut zusammen: Die etwas kühle, stets dunkle Klanggestalt der Sci Fi-artigen Stücke, die oft einen recht freien, verspielten Verlauf nehmen und einen ganz eigenen eskapistischen Kosmos entwerfen, in dem jedes Gestirn an seinem Ort ist, in dem Raum und Zeit jedoch zugleich bedeutungslos geworden sind. Entgegen seiner Gewohnheit tritt Expo ’70 auf seinem rund zwanzigminütigen Beitrag „Waves in Caverns of Air“ nicht primär als Gitarrist, sondern als Keyboarder in Erscheinung und baut das cinematische Drone, das sich anfangs noch nicht so recht entscheiden mag, ob es nun lieber organisch oder doch eher „technisch“ klingen will, mit einem altehrwürdigen Moog Synthie, dessen weicher und zugleich körniger Sound irgendwann an Fülle gewinnt und, trotz sporadischer Sirenensounds und weiterer Überraschungen, durch langsame Repetition das Klassenziel nahezu aller Drones erreicht: eine hypnotisch-einlullende Wirkung.

Im Gegensatz zur kosmischen Abgehobenheit von Expo 70 erscheint die Parallelwelt von Ancient Ocean erdverhafteter, ihr Klang ist wärmer und basslastiger, und kontrastiv zum eher europäisch anmutenden Krautambient der ersten Seite hallt hier – wenn auch verhalten – die Tradition amerikanischer Psychedelia nach. „Decomposition Decay“ beginnt mit einem sehr leisen Auftakt und fordert zunächst Konzentration, die recht bald mit einer unheimlichen Atmosphäre belohnt wird. Dem eher leichtfüßigen Klang Wrights stellt Bohannon hier eine ernstere und zugleich wechselseitigere Klanglandschaft gegenüber, in der melodisches, beinahe pastorales Gitarrenpicking auf doomige Zeitlupenriffs trifft.

Dass Musik dieser Art heute keine Revolution mehr auslöst ist klar, und im Hinblick auf sonore Weltgegenden ist die Zeit großer Entdeckungen ebenfalls gezählt. Gerade spacige, futuristische Musik vollzieht heutzutage eine paradox anmutende Vorwärts-Rückwärts-Bewegung in der Geschichte, indem sie nachzuvollziehen sucht, wie man sich gestern das Übermorgen vorstellte. Dabei kann immer noch Interessantes wiederentdeckt und hin und wieder auch mal eine Kleinigkeit hinzu erfunden werden. Dennoch ist solche Musik heute primär eine Musik der Genießer und Sammler. Die sollten aber, wenn sie Geschmack haben, die spacige Nachtmusik von Expo ’70 und Ancient Ocean nicht übergehen und zusehen, dass sie noch eines der fünfhundert Exemplare ergattern.

Label: Sound of Cobra/No=Fi