Der japanische Autor und Multimedia-Künstler Kenji Siratori hat mit seinem früheren Kollaborateur Andrew Liles nicht nur die Veröffentlichungsfrequenz gemeinsam. Die beiden verbindet auch eine Vorliebe für bedrohliche Szenarien mit einem Hang ins Bizarre und Groteske, der sich nirgends so deutlich zeigt wie in der häufigen Verwendung des Wortes Monster. Jüngst ist seine zweite Graphic Novel erschienen, die den Titel „Monster’s Device“ trägt. Nach eigener Angabe hat Siratori die Beschränkungen des vor Jahren gehypeten Cyberpunk-Genres aufgebrochen und andere experimentelle Schreibtechniken für sein dystopisches Ideengebäude entdeckt. Die Surrealisten standen wohl mit ihrer Idee der écriture automatique Pate, ebenso William Burroughs und andere Innovatoren der Montagetechnik.
Mir liegt das Buch nicht vor, doch die wenigen Grafiken und Textzitate, die ich im Netz aufschnappen konnte – „he said the black fellow geek gal cop had been staying at a friend’s cabin scatology gene family bukkake facials Kabukicho sex doll in the woods of murder“ – stellen Unterhaltsames in Ausicht. Als Vorgeschmack ist auch der Soundtrack dazu auf CD erschienen, der vielleicht einen ganz guten Eindruck von dem kompromisslosen Charakter des Stoffs vermittelt. Es handelt sich bei dem Stück mit der Spieldauer einer knappen Stunde um eine rasante Kollage, bei der wie bei einem hektischen Film kurze, prägnante Szenenfragmente unter Verwendung plötzlicher Gegenschnitttechniken aneinander gereiht werden – dies fast im Minutentakt, sodass auf Langzeit wieder der Eindruck einer gewissen Gleichförmigkeit entstehen kann. Zu den Motiven zählen zum einen ein basales Jazz-Instrumentarium, bestehend aus Piano, E-Bass, Drums und Saxophon, dessen Motive in regelmäßigen Abständen zitathaft wiederholt werden. Dazu jede Menge Feedbackrauschen, hektische Radio- und/oder TV-Samples und Klänge wie von Spielzeuginstrumenten, die ihren Teil zur comichaften Atmosphäre beitragen. Stets fliegt alles wie im Zeitrafferverfahren durch den Raum, doch bei genauerem Hinhören registriert man im vermeintlichen Chaos einen virtuosen Umgang mit den vielen Details, deren Montage immer weniger willkürich erscheint. Auch überblenden sich die Klangquellen an den Schnittstellen immer deutlicher, was zu interessanten Schichtungen führt.
„Monster’s Device“ ist Musik vom Reisbrett, das heißt eventuell auch, dass in Ruhe daran gearbeitet wurde. Beim Hören allerdings macht die Musik den gegenteiligen Eindruck eines hyperaktiven Furors, den man dem unsteten Berufskollaborateur von der kalten japanischen Nordinsel ohnehin unterstellt. Im Idealfall sollte die Musik in den Lektürepausen gehört werden. Um zu beurteilen, wie kongenial die akustische Seite des multimedialen Epos umgesetzt worden ist, müsste ich das Buch kennen.
Label: Minerva Records