Böse Zungen werden Asia Argento wohl immer nachsagen, nicht nur Schauspielerin, Regisseurin oder Model zu sein, sondern v.a. eine Berufstochter, die die autistische Exzentrik ihres berühmten Vaters in extravertierter Form weiterführt und ansonsten von dessen Renommee profitiert. Reduziert man sie auf diese Rolle, übergeht man allerdings einige Fakten: Zum einen, dass sich in ihrer Familie noch weit mehr Kreative finden, zum anderen, dass sie erst Jahre nach ihrem frühen Filmdebüt auch unter der Regie ihres Vater spielte. Vor allem aber dass sie sich nun bereits seit Jahren unermüdlich in den verschiedensten Bereichen austobt, während die ältere Generation in erster Linie vom alten Ruhm zehrt, ohne – leider – ästhetisch an frühere Glanzpunkte anzuknüpfen.
Freilich rangiert Asias Output auf unterschiedlichen Qualitätsstufen, und für ihr schnodderiges Auftreten und ihr burschikoses Nuscheln muss man schon ein Faible haben, auch sollte man ihre Selbstinszenierung als Freak nicht an allzu hohen Originalitätkriterien messen. Ihren Mittelfinger in Cannes mochte ich dann doch, zumal sie sich nicht wie M.I.A. anschließend entschuldigte. Sängerin ist sie ebenfalls und hat soeben ihr Albumdebüt bei Nuun Records herausgebracht, einem Label, das derzeit durch hippe Newcomer von sich reden macht, in dessen Katalog aber auch Herrschaften wie Merzbow, Maschinefabriek und Francisco Lopez auftauchen. Zur Musik kam Asia eher wie die Jungfrau zum Kinde, sang hier und da in einzelnen Songs befreundeter Bands, bis ein paar nette Kleinprojekte daraus entstanden. „Total Entropy“ ist ihr erster Longplayer und präsentiert neben ein paar älteren Stücken mehr als eine Stunde neuen Materials, unter dem einige Coverversionen sind. Wer ihre im Netz kursierenden Playlists und somit ihren respektablen No Wave- und Post Punk-Geschmack kennt, wundert sich vielleicht über die sehr eingängige Struktur und den clubtauglichen Groove einiger Nummern. Aber das könnte auch daran liegen, dass Asia selbst nur bedingt Musikerin ist und alle Stücke genau genommen Kollaborationen sind, bei denen die Musik größtenteils von anderen stammt.
Da die Kollegen von Haus aus in recht unterschiedlichen Sparten aktiv sind, klingt das Album zu Beginn recht unentschieden. Zusammen mit Tim Burges von The Charlatans eröffnet sie den Reigen mit einer herrlich schmalzigen Kitschballade, bei der Asia haucht und stöhnt wie das Schmuddel-Pendant zu Charlotte Gainsbourg. Mit dem Projekt Toog fröhnt sie für knappe fünf Minuten einem entspannten Drone Pop, um danach mit angejazzter Elektronik in verwegenen Blues überzuleiten. Alles grundsolide ohne hehren Kunstanspruch, ähnlich dem Artwork. Erst mit „Je t’aime, moi non plus“, an dem u.a. Placebos Brian Molko mitwirkt, ist das Album bei sich selbst und seinem weitgehend elektronischen Sound angekommen. Während hier ein trippiger Rhythmus und laszives Hauchen für allzu cheesy Keyboards entschädigen, ist für viele der folgenden Stücke (dank der Mitwirkung von Musikern wie Archigram, Antipop, the.art.of.FY und vor allem dem italienischen Producer Morgan) ein Gemisch aus recht straighten Drum Machines und abgewrackten Vocals bezeichnend. Das heißt keineswegs, dass „Total Entropy“ irgendwann in der Monotonie hängen bliebe – fordernder, leicht aggressiver Electro Clash wechselt sich ab mit technoidem Minimalismus und Houseklängen, Gesungenes, Gehauchtes und Gesprochenes lassen ihre Stimme immer wieder anders klingen. Manchmal erinnert ihr Gesang etwas stark an Lydia Lunch, und ich bin noch nicht ganz sicher, wie aufgesetzt ich das finden soll. Mit „Le Sacre du Printemps“, das zusammen mit Anton Newcombe (The Brian Jonestown Massacre) eingespielt wurde und auf Strawinski-Motiven basiert, gibt es dann noch einen richtig pathetischen Abspann, der wie ein großer Panoramaschwenk noch einmal die ganze Double A-Welt Revue passieren lässt.
Was sich leitmotivisch durch das Album zieht ist eine Art verludert-verlotterte Tiefgründigkeit, und sie ist durchweg Asias eigener Beitrag. Vielleicht hätte sie sich im Alleingang verzettelt, doch auf das Konto der mitwirkenden Musiker geht eine Strukturiertheit, die am Ende doch vergleichsweise Homogen ausfällt. Ein nettes, kurzweiliges Album, dessen Stimmung schwülheißer Erotik man sicher noch weitaus blumiger beschreiben könnte. (U.S.)
Label: Nuun Records