There’s always an underlying account of day-to-day life: Interview mit Sleaford Mods

Zwei Männer, ein Laptop, Flüche, Wut; die von Andrew Fewarn komponierte Musik runtergebrochen auf das Allernötigste: ein paar Beats, Bass, ab und an ein Sample. Das genügt um die wortgewaltigen Schimpfkanonaden von Jason Williamson zu untermalen, der den East Midlands einen Platz im aktuellen Popgeschehen zukommnen lässt. Der Zorn, der hier kanalisiert wird, lässt manche an eine 2014-Version von Punk denken und neben den schon häufiger gezogenen Vergleichen zu Mark E. Smith kommen einem auch Steve Ignorant oder Philip Best in den Sinn. Dass die letzten beiden Alben des Duos, „Austerity Dogs“ und „Divide and Exit“, beim verdienten (Post)Industrial Label Harbinger erschienen sind, mag nur anfangs überraschen, ist dann aber genauso passend wie die Tatsache, dass Sleaford Mods im Oktober in London zusammen mit Consumer Electronics auftreten.

English version

Vielleicht ist es ein bisschen trivial, damit zu beginnen, aber es steckt eine Menge Wut in dem, was ihr macht. Vor ein paar Jahren sprach ich mit einem Freund und er sagte “ich höre mir keine aggressive Musik mehr an. Ich bin jetzt 40. Ich bin etwas zahmer geworden “. Ich denke, es gibt immer noch genügen Grund, wütend zu sein.

Jason Williamson: Nein, das geht nicht weg.

Andrew Fearn: Nichts gegen deinen Freund, aber ein Freund meiner Cousine, der ansonsten Talk Talk und Ambientkram hört, war total begeistert, als wir uns bei einer Familienfeier kennenlernten. Er war total hin und weg von Sleaford Mods. Jeder Kerl ist nämlich angepisst, man vergisst das nur sehr leicht.
J: Aber du hast die Wahl. Viele Leute versuchen, nicht nachzudenken.

Ignoranz ist ein Segen.

J: Ja, so sieht es aus.

Würdet ihr sagen, dass das aktuelle politische Klima in Großbritannien eure letzte Platte beeinflusst hat?

J: Ich mache das nun seit sieben Jahren, es war immer so.

A: Es war nie weg.

J: Es war nie wirklich lange verschwunden in diesem Land. Es ist immer ungerecht gewesen. In den letzten 30 Jahren hat es rapide zugenommen.

A: [zeigt auf einen Tisch mit Obst im Backstage] Eine Menge Wasser, Cola, Bananen, Obst. Du würdest das im Vereinigten Königreich nicht bekommen. Man würde einen Scheiß kriegen.  Was du bekommst ist eine verschlossene Tür, während du versuchst, in den Raum zu kommen. Das ist alles, was du bekommst (lacht).

Ihr mögt deutsches Bier?

A: Nicht nur deutsches Bier. Alles. Das Essen, die Leute, die Kultur. Die Infrastuktur.
Vor Ewigkeiten verbrachte ich eine Zeit in Liverpool, und ich erinnere mich, dass ich oft im Tunnel von Birkenhead stecken blieb. Nachdem ich ein paarmal in Birkenhead war, bekam ich eine Vorstellung davon, worum es in der Zeile “it took a tattoeoed boy from Birkenhead to really really open her eyes“ von den Smiths geht. Wie denkt ihr heute über Morrissey?

A: Also ich würde sagen, er sagt witzige Sachen und ist bisschen ein Blödmann.

J: Ein scheiß Moralprediger ist er.

A: Er hat etwas Cooles an sich. Er ist nach Amerika gezogen, nach LA, und ich denke, es schert ihn einen Scheiß, was wir denken.

Kommen wir mal zu der Art, wie ihr eure Songs komponiert. Die Legende sagt, dass alles anfing, als jemand einen Black Metal-Loop spielte.

J: Ja, das stimmt. Ich experimentierte vorher schon mit Spoken Words. Ich ging zurück ins Studio und versuchte, damit zu arbeiten.

A: Mein Part.

J.: Davor (beide lachen). So fing ich an, mehr solche Sachen zu schreiben, Loops zu benutzen. So fing es an.

Eure zwei letzten Alben erschienen auf Harbinger. Wie kam es dazu?

A: Du kennst Harbinger?

Ja. Ich interessiere mich sehr für Postindustrial. Der Name machte mich also hellhörig.

A: Wie kam dir das vor?

Nun, zu Anfang war ich ein bisschen überrascht, aber nach eurer Show heute Abend, ergibt das schon Sinn.

A: Manchmal bringt man uns mit den Pet Shop Boys in Verbindung. Als Kind war ich ganz verrückt nach Popmusik. Ich kannte die Welt jenseits davon nicht. Die Pet Shop Boys waren sehr wichtig für mich. Aber witzig heute, die Pet Shop Boys.

J: Sorry, wie war die Frage nochmal?

Wegen des Labels.

J: Wir spielten in einem Club namens Ravel, der Ravel Club, dort trafen  wir Steve [Underwood].

A: Der einzig gute Abend in Nottz.

J: Steve kam zu uns. Es war nur ich solo. Wir hatten seit einem Jahr nicht mehr zusammen gespielt, wir namhmen nur zusammen auf.

A: Ich hatte schon bisschen Musik gemacht, aber es war alles noch ganz frisch. Irgendwann kannten wir uns besser.. Dann gab es ein Festival in dem Club und er sah uns. So nahm alles seinen Lauf.

Beim Konzert dachte ich, dass Musiker mit einem Laptop es sich oft dahinter bequem machen und nur so tun, als würden sie viel machen. Bei euch ist es anders.

A: Ja, so soll es sein. Ich hab mein ganzes Leben lang schon Musik in verschiedenen Projekten gemacht und hatte immer mit diesem Konzept zu schaffen. Es machte mir immer zu schaffen, wie sehr die dabei lügen. Niemand schert sich einen Dreck darum, wie du über deinem Laptop-Bildschirm aussiehst. Die Leute wollen mich lieber rumzappeln sehen.

Du kennst offensichtlich alle Texte.

(lacht)

J: Die Idee ist, das alles möglichst runter zu brechen. Wir benutzen nicht viele Instrumente. Er drückt bloß auf Play und das wars. Ich mache dann den Rest.

Aber es passiert eine Menge.

J: Es entsteht von selbst. Du umgibst dich einfach mit irgendwas.

A: Ich denke, unsere Elektronik ist ziemlich klaustrophobisch. Es ist kein Fake.

Würdet ihr sagen, dass die Reaktionen in England anders sind als beispielsweise in Deutschland? Vielleicht achtet das englische Publikum mehr auf die Lyrics?

J: In Englandgeht’s jetzt los.

A: Ja, so ist es. Bevor wir in Europa wahrgenommen wurden, waren die englischen Hörer ziemlich zynisch, was unsere Musik anging. Sie waren zu sehr auf alte Sachen fixiert. Jetzt funktioniert es.

Könnt ihr bisschen was zu den Texten sagen? Wie kommt ihr in die entsprechende Stimmung?

J: Manchmal ist es nur Geschwafel, machmal aber auch ein solides Thema, das mich ankotzt oder eine Person, die uns nervt. Einfach ein grundsätzliches Thema, über das wir quatschen, es kann mit einem witzigen Wort anfangen, manches ist auch erfunden, manches ist fantasiert, aber es gibt immer einen unterschwelligen Bezug zum Alltag.

A: Manches kommt uns sehr englisch vor, aber wahrscheinlich sind es Dinge, die jeder Mensch kennst. Es ist das, was wir machen. Deshalb haben wir auch keine Sorge, ob es auf Europa bezogen ist ode rnicht, wir sprechen einfach die Sprache der Leute. Wir machen uns keine Gedanken über Poesie.

J: Da geht nichts ab.

A: Da geht nichts ab. Es ist eine fürchterliche Zeit.

J: Musik ist Scheiße in England. Niemand macht irgendwas. Jeder denkt an seine Karriere. Wenn irgendwelche Leute aufgelesen werden und nur einen Funken Talent haben, wird das gleich aufgesogen bei irgendwelche Plattenfimen und in eine Profitmaschine verwandelt. Wir haben nur auf uns selbst gestellt mit unserem Manager Steve gemacht und er hat uns mit seinen Verbindungen in Europa uftritte verschafft and dadurch haben wir ein Publikum aufgebaut und in England hat sich die Presse draufgestürzt, weil wir hier aufgetreten sind. Wir haben einen Namen. Also Europa hat uns wirklich gut getan.

Ich habe auf eurer Webseite gesehen,d ass euch sogar der BBC interviewt hat.

J: Genau, BBC 6. Aber das ist in Nottingham. Mainstream-Medien sind ziemlich auf uns abgefahren, aber das war alles wegen der Konzerte in Brüssel oder in Deutschland, und dann sind wir zurück nach England und konnte auch da spielen. Es hat aus irgendwelchen Gründen weiter funktioniert.

Es ist schon öfter über das Fluchen in den  Texten geschrieben worden. Ist das Fluchen  beabsichtigt oder passiert es einfach?

J: Es ist etwas, das passiert. So rede ich eben auch. Ich wollte mich selbst rüberbringen und nicht irgendwelche scheiß netten Worte sagen. Es erreichte einen Punkt, an dem ich so frustriert war. Deswegen dachte ich, ich selbst zu sein und das ist meine größte Waffe. Man sollte Musik machen, die zu einem passt. Nicht versuchen jemand anderes zu sein. Deswegen erwischt es so viele Leute. Man ist vielleicht gut darin Songs zu schreiben, aber eine Melodie ist nur ein Teil. Man kann auch noch seine eigene Persönlichkeit drin haben.

Eine Sache vielleicht noch. Ich glaube, ich hatte auf eurer Bandcamp-Seite gelesen, dass ihr früher in ein paar anderen Bands gespielt hattet, aber es gehasst habt. 

J: Ja, denn das war nicht ich selbst. Ich habe es deswegen gehasst, weil es nur damit zu tun hatte, einen Plattenvertrag zu bekommen. In einem Genre, das jeder schon zum Erbrechen gemacht hatte. Immer und immer wieder. Dann wurde es nach einer Weile so monoton und ich begann etwas mit spoken word. Da hatte ich eher einen Bezug zu, weil ich mehr Worte rauskriegen konnte. Das ist, als es den Samstag Nachmittag im Studio mit dem Loop passiert ist. Nummer eins: Das war interessant. Ich wurde darauf aufmerksam. Nummer zwei: Ich war mein eigener Herr. Ich musste mit niemandem Kompromisse eingehen. Ich konnte mein eigenes Ding durchziehen. Und mir wurde klar, dass ich ein guter Produzent bin. Ich konnte meine Ideen gut rüberbringen. Und es ist dann einfach so losgegangen.

(M.G.)

Sleaford Mods