OAXACA: Salvatora

Wer Jazz und Funk gerne korsettfrei mag und obendrein ein Faible für die 70er hat, der sollte sich den Namen oAxAcA merken. Fernab vom Südzipfel Mexikos, nämlich im Piemont, gründete sich vor einigen Jahren ein Septett, um unter diesem Namen eine Zeit aufleben zu lassen, in der man glattrasierte Schnösel mit wildem Gejamme noch verprellen konnte. Obwohl mehr in verrauchten Konzertbars zuhause, hat das launige Ensemble sich mit dem Titel „Salvatora“ nun zum zweiten Mal auf Vinyl verewigt.

Ein Grund, warum die ausufernde Retro-Debatte im Jazz weniger stark geführt wurde als beispielsweise im Rock, rührt daher, dass Rückgriffe, Zitate und Motiv-Variationen in afroamerikanischer Musik ohnehin integral sind. Und doch ist das Anarchische, Vitale, dass oAxAcA selbst in den smoothen Momenten ihres neuen Albums feiern, ein Zug, der sich weitgehend außerhalb von Jazz Thing und Strickjacken-Feuilleton erhalten hat – in der Echtzeitmusik und anderen subkulturellen Nebenstraßen des etablierten Jazzbetriebes. Dass das in oAxAcAs Fall auch auf die buntscheckigen Einflüsse der sechs Virtuosen zurückgeht, ahnt man allenfalls, wenn man über die Querverbindungen zu den Movie Star Junkies, zu Father Murphy und La Piramide Di Sangue im Bilde ist.

oAxAcA lieben es, ihre Hörer auf falsche Fährten zu locken und einen Moment wie den Auftakt eines musikalischen Narrativs klingen zu lassen, nur um den eingeschlagenen Pfad im undurchdringlichen Dickicht sprunghafter Takte und Akkorde enden zu lassen. Auf „Salvatora“ flaniert man nicht, man irrt herum, und letztlich verbinden gerade die zahlreichen kleinen Sackgassen dann auch die beschwingten oder rockig angehauchten Stücke mit den statischeren Abschnitten, in denen sich Figuren auf Fender Rhodes, Trompete oder den afrikanischen Handdrums zu ausladenden Soli verselbständigen. Elektronik von unterschiedlicher Dichte bildet in einigen Stücken ein fast unbemerkbares Fundament, zusammen mit den groovigen Drums lässt sie gelegentlich an Can denken.

Das Label setzt mit John Coltrane und dem späten, rockigeren Miles Davis ein paar markante tags, und bei entsprechendem Interesse sind auch filmische Assoziationen schnell zur Hand. So verläuft man sich bei „Passagia a livello“ vielleicht im London aus Enzo Castellaris „Cold Eyes of Fear“ mit seinem zersplitterten Morricone-Score oder tingelt bei „Bridge“ und „Maratona“ durch die sleazigen Clubs in Jess Francos „Blue Rita“ oder Herhell G. Lewis’ Mondo-Streifen „Black Love“, bevor auch diese Songs im Chaos der willen Trommelorgien implodieren.

Das Album erscheint ganze hundert Mal als schwarz-blau-melierte Vinylscheibe im handgeklebten Skullcover. (U.S.)

Label: Holiday Records