VENETIAN SNARES: My Love is a Bulldozer

Aaron Funk spielt eine Musik, die sich kaum auf die Engführung hektischer Elektronik mit romantischer Kunstmusik reduzieren lässt. Er ist zudem in die unterschiedlichsten Richtungen vernetzt und erlebt in regelmäßigen Abständen Ausbrüche kreativer Manie. Zuguterletzt firmiert er unter einem Namen, bei dem man nicht gerade als erstes an Breakcore und Drum’n'Bass denken muss – all dies mag einem zu der Frage einfallen, warum Venetian Snares weit über Genregrenzen hinaus renomiert ist. Der letzte kreative Furor mit bis zu acht Releases im Jahr ist allerdings schon eine Weile her, und so erscheint mit „My Love is a Bulldozer“ nach beinahe vier Jahren der erste Longplayer seit dem ausgiebig gelobten „My so-called Life“.

In vielem könnte „My Love is a Bulldozer“ in Katalogen als „das Album zum Kennenlernen“ von Venetian Snares geführt werden. Molllastige Streicher, vertrackte Beatgewitter und die namengebenden Snares en masse – Komponenten, die nur in besonderen Augenblicken miteinander verschmelzen, die sich auch dann, wenn sich ihre Spuren überlagern, meist den Platz am vorderen Bühnenrand streitig machen und dadurch unterschiedliche Abschnitte im musikalischen Narrativ markieren. Zwischendrin gibt es auffallend häufig Ansätze von so etwas wie Songs. Zu einem besonderen Album wurde der Bolldozer aber durch ein tiefgründiges Pathos, das nicht jeder derart ungekünstelt hinbekommen hätte.

„10th Circle of Winnipeg“, eine zwiespältige Hommage an Funks Heimatort, eröffnet die CD mit Sounds, die an Tropfsteine im Zeitraffer erinnern, und enthält die wichtigsten VS-Standards inklusive Brüche in Tempo und Fülle. Deren Abruptheit vermittelt sich oft erst mit dem Nachgeschmack. Sein spezielles Gepräge erhält der Song jedoch durch den Jazztouch, der den metallenen Rahmen ausgesprochen erfinderisch kontrastiert – zu luftigen Drums intoniert eine Sängerin, deren Name wohl Geheimnis bleiben soll, in herbem Alt einen Text, der sich mehr und mehr als apokalyptische Dystopie entpuppt. Wenn die selbe Stimme beim Folgestück zu Regen, Cello und spanischen Gitarren von Hoffnung singt, offenbart dies die anheimelnde Kehrseite des harschen Auftaktes. Eine alles umreißende Liebe hat freilich ganz unterschiedliche Seiten, doch harmlos und gefällig ist keine davon.

Thematisch prasselt hier so einiges zusammen, doch die Liebe als unendliches und doch immer wieder vom Untergang bedrohtes Universum bildet das Zentrum. Die fragile Emotionalität lässt sich in explosive Wut ummünzen, und Funk macht von dieser Möglichkeit gerne gebrauch, sei es in völlig entgrenzten Ausbrüchen wie in „Amazone“ oder in fast netten Momenten wie dem Titelsong, bei dem die erwartete Eruption eher im unterschwelligen Rumoren aufgeht. Die heimeligen Momenten, schöne Interludien mit Streicher, Gitarre und Klavier, bilden einen wichtigen Teil des Konzeptes. Man könnte den Fehler machen, sie nur als Kontrastmittel zu betrachten, doch in ihrer Erhabenheit unterstreichen sie nur die Drastik der Ausbrüche, deren Pathos von der gleichen Art ist.

Auch die ironischen Momente, die Spielereien mit grotesken Elementen, relativieren nichts, wenn sie die triviale Seite großer Gefühle mit einbeziehen. So wirkt die überzogen raue Stimme in „Too Far Across“ wie ein ironischer Kommentar auf all die Songwriter-Klischees, die gerade im letzten Jahrzehnt im Windschatten von Tom Waits und Johnny Cash, oder was man darunter verstand, gedeihen konnten. Aber das gehört wohl heute dazu.

Label: Planet Mu