In einem vor einiger Zeit veröffentlichten Interview sprach Timothy Renner davon, dass das Introspektive von Stone Breath, die Thematisierung von Spiritualität, langsam an einen Endpunkt komme, sich sein Schreiben verändere und er gab zu, dass die politischen Texte, die er mit seinem Crossoverprojekt Albatwitch schreibe, augenblicklich von ihm als „dringender” – vielleicht möchte man sagen “drängender” – empfunden würden. Diese Hinwendung zu weltlicheren Themen wird mit Einschränkungen auch auf seinem neuem Soloalbum, auf dem er von alten (Sarada, AE Hoskin) und neuen (Brian Magar, Grey Malkin, Neddal Ayad, Jo Costgrove ) Weggefährten unterstützt wird, deutlich, z.B. bei der Wahl der Coverversionen: Das ursprünglich von Stone Breath auf dem Album „Twist of Thorn“ in anderer Form interpretierte Traditional „Johnny Has Gone For a Soldier“ bekommt hier durch den Einsatz von einer Snaredrum etwas Dringliches, verdeutlicht die Konsequenzen des In-den-Krieg-Ziehens für die Zurückgebleibenen und die am Krieg Beteiligten. Das u.a. durch Leonard Cohen bekannt gewordene „The Partisan“ wird aus der Sicht eines Mitglieds der französischen Resistance erzählt: „Oh, the wind, the wind is blowing/Through the graves the wind is blowing/Freedom soon will come/Then we’ll come from the shadow“. Die Texte zu den Stücken „Germinal“ und „Written in Red“ stammen von der amerikanischen Anarchistin Voltairine De Cleyre: „we battle to set men free“ heißt es auf letzterem, damit wird natürlich auch an die in „The Partisan“ zum Ausdruck kommende Haltung angeknüpft.
Aber auch bei den eigenen Stücken zeigen sich leichte Veränderungen. Zwar findet sich weiterhin eine Symbolik und Metaphorik, die das Werk des Amerikaners in den letzten Jahrzehnten geprägt hat: Es taucht die bekannte „Ghost-white stag“ auf („Grave Need“), aber wenn das Stück „Vampire“ mit einem Zitat Dick Cheneys eingeleitet wird, in dem der ehemalige Vizepräsident zum Thema Folter lapidar sagt „All of the techniques that were authorized by the president were, in effect, blessed by the Justice Department opinion that we could go forward with those without, in fact, committing torture.“, dann wird eindeutig(er), auf wen Zeilen wie „Here’s a stone for your mouth/ A stone to block your forked tongue“ gemünzt sind. Bei „Poppit“, auf eine Puppe mit magischen Kräften verweisend, wirft über die Mächtigen gesagt: „They tax our dreams/All they’ll give to us is graves“, um aber am Ende die Drohung auszusprechen: „We’ll burn like lanterns/We’ll hang like stars/And we haunt them form our graves“.
Musikalisch ist das doppeldeutig betitelte Album (man denke an Shakespeares Mercutio, der nach der tödlichen Verwundung sagt: “Ask for me tomorrow, and you shall find me a grave man.”) wie eine Wanderung durch die lange Karriere Renners: Da gibt es die an The Spectral Light and Moonshine Firefly Snakeoil Jamboree erinnernden vom Banjo geprägten Stücke („A Mirror For Death“, „The Mouthless Dead“), manche der reduzierteren Songs lassen an die von Renner mit seinem langjährigen musikalischen Partner Prydwynn eingespielte “Children of Hum”-EP von Stone Breath denken, das perkussive und treibende „Dead Gods, Dead Masters” knüpft an das kurzlebige Projekt Crow Tongue an, aber auch Drones, die sich immer wieder im Werk Renners fanden, werden eingesetzt („A Dead Dreaming“, „Germinal (Version I)“).
War Renners 2012 erschienenes Soloalbum „Undeath“ relativ experimentell, so dekliniert er auf „Grave Needs“ auf insgesamt 27 Stücken, von denen jedes eine ausführliche Besprechung wert gewesen wäre, so in etwa jede Form des Folks durch und zeigt, welche Relevanz diese Musik haben kann: Dieses „geisterhafte Licht“, das Renner und seine Mitmusiker zum Scheinen bringen, erhellt weniger die Wiedergänger und Untoten, die in zunehmendem Maße die Bildschirme be- und entvölkern, als vielmehr die ganz realen Monster und Monstrositäten, die unsere Welt bedrohen. (M.G.)
Label: Lost Grave/Crucial Blaze